Der Landkreis Böblingen hat im vergangenen Jahr rund 600 000 Euro mit Altkleidern verdient. Eine Duisburger Firma nimmt sie dem Abfallwirtschaftsbetrieb ab und verkauft sie weiter – nach Afrika und Osteuropa.

Böblingen/Duisburg - Abgesprochen war das nicht. Aber besser hätte es sich nicht treffen können. Just in dem Moment, in dem die letzten Altkleidersäcke von dem Lastwagenanhänger in eine Gitterbox geworfen werden, kommt Wolf Eisenmann in den Hof des Duisburger Sortierbetriebs Grotex Recycling GmbH. Der Chef des Böblinger Abfallwirtschaftsbetriebs will mit eigenen Augen sehen, was mit den im Kreis Böblingen ausgemusterten und gesammelten Hosen, Blusen und Jacken passiert, nachdem die aktuell 246 Altkleidercontainer im Kreisgebiet geleert wurden.

 

Unauffällig sind der Hof und die Halle des Sortierbetriebs in der Dr.-Alfred-Herrhausen-Allee in Duisburg. Das Tor in die Halle steht sperrangelweit offen. Auf der linken Seite stapeln sich Gitterboxen über Gitterboxen, teils leer, teils gefüllt mit bunten Säcken. Auf der gegenüberliegenden Seite türmen sich Pakete, einheitlich in grüne Folie verschweißt, und große Packen aus Federbetten, Handtüchern und anderen Textilien. Das hat alles seine Ordnung. Weiter hinten in der Halle stehen an Tischen einige Frauen. Mit geschickten Handgriffen öffnen sie die Kunststoffsäcke, nehmen die Kleidung heraus, greifen in die Jacken- und Hosentaschen, schauen sich jedes Kleidungsstück noch einmal an, legen es wieder zusammen und sortieren es in die beschrifteten Gitterboxen, die am Boden stehen: eine für Jeans, eine für Jacken, eine für Kinderkleidung, eine für Socken, eine für Blusen und, und, und. Am Ende sind es 60 bis 70 verschiedene Kategorien.

Qualität ist ausschlaggebend

Etwa zehn Tonnen Altkleider am Tag sortieren die Frauen an den Tischen. Jede Woche kommen zwei Lastwagen aus Böblingen hier an. Markus Ludewig von Grotex ist zufrieden: „Die Qualität ist gut. Da macht sich die höhere Kaufkraft im Süden bemerkbar“, sagt der Diplom-Ingenieur, der seit 20 Jahren im Geschäft ist: „Letztendlich ist die Qualität ausschlaggebend für den Verwerter.“

Entscheidend für den Landkreis Böblingen, die ausgemusterten Kleider aus den 160 000 heimischen Haushalten im – Luftlinie – etwas mehr als 350 Kilometer entfernten Duisburg sortieren zu lassen, sei der Preis gewesen, gibt Wolf Eisenmann unumwunden zu. 500 Euro erhält der Kreis für die Tonne. Bei 1200 Tonnen, die im vergangenen Jahr im Kreis gesammelt wurden, macht das unterm Strich 600 000 Euro. Geld, das den Gebührenzahlern wieder zugute komme, wie Eisenmann betont.

Erst Anfang des vergangenen Jahres ist der Kreis in das Geschäft mit der Altkleidersammlung eingestiegen. Ein Grund sind Änderungen im Kreislaufwirtschaftsgesetz, das Privathaushalte verpflichtet, ihre Abfälle den öffentlichen Entsorgern zu überlassen. Andere sind gestiegene Wertstoffpreise und der Wildwuchs von nicht angemeldeten, aber aufgestellten Containern gewerblicher Sammlern.

Das lukrative Geschäft wollte ihnen Eisenmann nicht überlassen – und forderte sie unmissverständlich auf, ihre Container wieder abzubauen. Dagegen legten sie Widerspruch ein und strengten ein Eilverfahren vor dem Stuttgarter Verwaltungsgericht an. Das verlor der Kreis ebenso wie das vor dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim. Doch das ist für die gewerblichen Sammler nur ein Etappensieg. Denn das Hauptsacheverfahren in der Frage steht noch aus. Die Unterlagen liegen nach Angaben des Kreises noch beim Regierungspräsidium Stuttgart.

Mit dem Deutschen Roten Kreuz (DRK), das jahrzehntelang im Kreis die aussortierten Hosen, Blusen, Mäntel und T-Shirts sammelte und noch heute zwei Second-Hand-Läden und eine Kleiderkammer betreibt, konnte sich Eisenmann einigen. Der Abfallwirtschaftsbetrieb mietete sich die 105 Kleidercontainer der Hilfsorganisation, zahlt dafür und tritt den Erlös daraus an das Rote Kreuz ab. „Wir sind mit der getroffenen Regelung zufrieden“, sagt Wolfgang Heubach, der Pressesprecher Böblinger DRK-Kreisverbandes. Das Geld werde für soziale Zwecke ausgegeben.

Rekordpreise für Altkleider

Von einem „historischen Preishoch“ für Altkleider spricht auch der Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (BVSE) über das Niveau im vergangenen Jahr. „Was wir derzeit wahrnehmen, ist, dass die kommunale Sammeltätigkeit zunimmt, seit der Preis auskömmlich ist“, sagt die BVSE-Pressereferentin Ilona Schäfer über die Entwicklung. Wenn Kommunen allerdings auf dem Rechtsweg versuchten, gewerbliche und karitative Sammler vom Markt zu drängen, so Schäfer, „hört der faire Wettbewerb auf“. Das sehe der Verband „recht kritisch“. Ihm gehören etwa 130 Sortierbetriebe in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Einer davon ist Grotex. Es gehört eher zu den kleineren Unternehmen der Branche, für das die Zusammenarbeit mit dem Kreis Böblingen der Einstieg für weitere Kooperationen mit Kommunen war. Vor mehr als 20 Jahren gründete Thomasz Gromoswki das Unternehmen, sammelte zunächst nur Altkleider, inzwischen sortiert er sie und vertreibt sie weiter. Etwa fünf Prozent der sortierten Ware ist Abfall. Weitere fünf Prozent – sehr gut erhaltene Kleidung – geht an Second-Hand-Läden und jeweils etwa 45 Prozent gehen nach Afrika – die in grüne Folie verpackten Pakete – und noch einmal so viel nach Osteuropa. Die zu großen weißen Paketen gepressten Alttextilien würden in Polen beispielsweise für Fußmatten und Dachhimmel in Autos recycelt, erklärt Markus Ludewig.

Der Böblinger Vize-Landrat Wolf Eisenmann ist zufrieden, was er in Duisburg zu sehen bekommen hat. Nur eines verblüfft ihn an dem Betrieb: „Den hab’ ich mir größer vorgestellt.“