Pflegeplätze sind oft Monate im Voraus ausgebucht. Vier von fünf Anfragen werden abgelehnt im Kreis Böblingen.

Leonberg - Unzählige Anrufe in Pflegeheimen und immer die gleiche Antwort: Alle Plätze in der Kurzzeitpflege sind belegt und das oft auf Monate im Voraus. Eine frustrierende Erfahrung, die Angehörige, aber auch Krankenhäuser in den vergangenen Jahren immer öfter machen. Eine Erhebung der Caritas Baden-Württemberg, die unserer Zeitung vorliegt, zeigt, dass 83 Prozent aller Anfragen für Kurzzeitpflege im Kreis Böblingen abgelehnt wurden. Im Enzkreis sind es 86 Prozent. Damit befinden sich die beiden Landkreise sogar nur im schlechten Mittelfeld. Im Zollernalbkreis oder in Rottweil liegt die Quote sogar bei 100 Prozent. Das beste Ergebnis mit um die 50 Prozent Erfolgsquote liefern der Bodenseekreis, Heilbronn, Mannheim und Rastatt.

 

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Situation als schlecht beurteilt

Der Erhebung zugrunde liegt eine Umfrage der Verbände der Liga der freien Wohlfahrtspflege im Land, der baden-württembergischen Krankenhausgesellschaft und des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste unter ihren Mitgliedseinrichtungen von März bis Mai dieses Jahres. 80 Prozent der Befragten beurteilten die Versorgungssituation in der Kurzzeitpflege als schlecht.

Pflegebedürftige Menschen haben darauf Anspruch für bis zu acht Wochen je Kalenderjahr. Etwa als Übergangszeit nach einem Krankenhausaufenthalt, wenn vorübergehend keine Selbstversorgung oder Versorgung durch Angehörige möglich ist. Die Kurzzeitpflege erfolgt vollstationär in einer regulären Einrichtung. Es gibt sie solitär, also als eigene Abteilung, oder in Form sogenannter eingestreuter Plätze im regulären Betrieb.

Der Böblinger Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes betreibt elf Pflegeheime, darunter je zwei in Renningen und Rutesheim, und ist damit größter Träger im Kreis. „Wir haben von knapp 600 Betten insgesamt 33 Plätze für Kurzzeitpflege“, berichtet Pressesprecher Wolfgang Heubach. „Zehn Prozent der Anfragen sind tatsächlich für eine Kurzzeitpflege. 90 Prozent gehen über in eine Dauerpflege“, erklärt er weiter. Da 24 der 33 Kurzzeitplätze eingestreut sind, stelle dies aber kein Problem dar.

Die Lage spitzt sich zu

Von den 45 Pflegeheimen im Kreis Böblingen bieten 42 Kurzzeitpflege an. Laut Kreispflegeplan stehen aktuell 211 Plätze in der temporären Betreuung zur Verfügung. 2017 wurden demnach 1960 Menschen hierüber versorgt. Dem gegenüber stehen derzeit rund 42 000 Menschen über 75 Jahren im Kreis. Sie machen ein Zehntel der Bevölkerung aus, Tendenz steigend. Für die kommenden Jahre sind lediglich sieben neue Plätze geplant, alle in Leonberg. Vier im neuen Heim des Samariterstifts am Rathaus und drei zusätzliche in der Seniorenresidenz Glemstalblick des ASB.

Die Nachfrage jedoch steigt. Davon berichten auch die Kliniken. „Es wird für die Mitarbeiter der sozialen Dienste Jahr für Jahr schwieriger, einen Platz für Patienten zu finden“, sagt Ingo Matheus, der Pressesprecher des Klinikverbundes Südwest. Das hänge zum einen mit der steigenden Zahl der Patienten zusammen. Seit einer Gesetzesänderung müssen die Krankenhäuser aber auch sicherstellen, dass Patienten nach ihrer Entlassung angemessen versorgt sind. Wenn sie das nicht allein tun können, muss sich die Klinik um eine Pflege kümmern. „Das führt dann auch dazu, dass Patienten länger bei uns bleiben müssen, wir das von der Krankenkasse aber nicht vergütet bekommen“, erklärt Matheus.

Mehr Aufwand für kurze Zeit

Warum dann nicht einfach mehr Plätze in den Seniorenheimen geschaffen werden? „Diese Plätze bedeuten für uns einen sehr großen Aufwand, etwa beim Einzug oder den Formalitäten wie Verträge. Und das alle paar Wochen wieder“, sagt Sylvia Reck, die Leiterin des Samariterstifts Leonberg in der Seestraße. Obwohl diese Menschen nur ein paar Wochen da sind, müsse der gleiche Dokumentationsaufwand betrieben werden, wie für reguläre Bewohner. Auch wenn einige der zu Pflegenden direkt aus dem Krankenhaus kämen, sei der pflegerische Aufwand nicht größer.

Das DRK prüft nach eigener Aussage gerade eine Möglichkeit, weitere Plätze zu schaffen. „Nach einem Erlass des Sozialministeriums soll es im Rahmen der Landesheimbauverordnung doch möglich sein, Doppelzimmer weiter zu nutzen, allerdings nur für solitäre Kurzzeitpflege“, sagt DRK-Sprecher Wolfgang Heubach. Andere reguläre Plätze müssen nach einer Änderung des Gesetzes künftig als Einzelzimmer gestaltet sein. Allerdings gibt es dazu Ausnahmegenehmigungen beziehungsweise Übergangsregelungen.