Nach einer miserablen Bundesliga-Saison droht dem VfB Stuttgart der Abstieg. Die Stimmung der Anhänger hierzulande schwankt zwischen Hoffnung und Resignation.

Altkreis Leonberg - Gerd Eckhardt rechnet schon mal vor: „Wenn der VfB in Wolfsburg gewinnt und Bremen gegen Frankfurt verliert, dann läuft alles nach Plan“, sagt er. Heißt im Klartext: Die Schwaben retten sich auf den letzten Drücker vor einem direkten Abstieg in die untere Klasse. „Und dann geht’s in die Relegation gegen Nürnberg“, so Eckhardt, auf dessen Rechnung am Ende der ersehnte Verbleib in der ersten Fußball-Bundesliga steht.

 

Ein Abstieg in die Zweitklassigkeit? Das kommt für den VfB-Fan nicht in die Tüte. „Dann müsste ich ja mein Haus verkaufen“, witzelt der 49-Jährige, dessen Frontfassade ein Doppelfenster großes VfB-Wappen ziert. Wirft man einen Blick auf seine tätowierten Arme – links ein brennendes Herz mit dem Wappen, rechts der Schriftzug „VfB 1893 – ein Leben lang“ ist klar: Der Weiler aus dem VfB Ü-40-Fanclub in Renningen ist mit Haut und Haaren ein Weiß-Roter.

„Ich bin kein Ultra“

Dass die Saison eine derart dramatische Wendung für seinen Klub nimmt, damit habe er nicht unbedingt gerechnet. Doch er hält dem VfB auch in schlechten Zeiten die Treue. So auch bei der letzten Heimpleite gegen Mainz, als er die Schwaben bis zum bitteren Ende nach vorne peitschte. Mittendrin verduften wie das so mancher Schönwetter-Fan pflegt? Ausgeschlossen! „Ich bin kein Ultra“, sagt er, „aber das ist ein absolutes No-Go!“ Für den Fan-Aufstand nach der Partie zeigt er Verständnis. „Irgendwann platzt auch dem treuesten Anhänger der Kragen“, meint der Weiler, der aber scharfe Kritik an den einigen wenigen Krawallmachern übt.

Dabei begann die Saison durchaus vielversprechend. „Nach dem 4:2 im Testspiel gegen Manchester City liebäugelten viele schon mit dem internationalen Geschäft“, sagt Renate Lutz, Vorsitzende des Renninger Fanclubs mit mehr als 100 Mitgliedern. „Anfangs spielte der VfB guten Fußball und verlor, danach waren nicht nur die Ergebnisse schlecht, sondern auch die Leistungen“, resümiert die 60-Jährige. Ihrer Meinung nach fehlen junge Spieler aus den eigenen Reihen. „So wie die Jungen Wilden in der Meistersaison 2007“, erinnert sie sich, hegt aber kaum Hoffnung auf Besserung. Denn die zweite Mannschaft, die VfB-Coach Jürgen Kramny zu Saisonbeginn trainierte, steht vor dem Abstieg in die vierte Liga. „Damit wird er wohl der einzige Trainer sein, der innerhalb einer Saison zweimal absteigt!“, sagt sie trocken.

Wenn geteiltes Leid halbes Leid ist

Weil ihr das müde Ballgeschiebe der Stuttgarter gegen den Zeiger ging, trat sie am letzten Samstag ihre Dauerkarte an eine Bekannte ab und zog stattdessen eine Radioübertragung vor. Doch gegen Wolfsburg ist Public Viewing angesagt. „Geteiltes Leid ist halbes Leid“, sagt Lutz. Übrigens: Vielleicht wäre es um den VfB nicht so schlecht bestellt, hätte sich Präsident Bernd Wahler beim Besuch des klubeigenen Glühwein-Festes im vergangenen Jahr die Kritik der Mitglieder zu Herzen genommen. „Jetzt wäre ihm aber mehr mit Schnaps denn mit Glühwein gedient“, scherzt Lutz.

Dass der Alkoholkonsum bei seinen Gästen im Laufe der Saison merklich anstieg, das kann Hansi Haußmann zwar nicht bestätigen. Allerdings muss der Wirt in seinem Altstadt-Lokal „Bei Inge & Hansi im Adler“ schon mal die angeschlagene VfB-Seele streicheln. „Für mich ist es nicht überraschend, dass sie gegen den Abstieg kämpfen“, sagt der Gastronom, der mit Robin Dutt als sportlichen Direktor eine böse Vorahnung hatte. „Wenn Dutt in die Kabine kommt und die Spieler zusammenstaucht, dann ist nicht einmal die Tür von Außen zu und sie kriegen einen Lachanfall!“

Damit der Erfolg einkehrt, ist für ihn eine Ausgliederung der Fußballabteilung unumgänglich. „Ich bin einer von der alten Garde, aber eine Ausgliederung muss her, damit Daimler oder Porsche investieren.“ Für Samstag erwartet er ein volles Haus. Wer nicht fehlen darf, sind auch Mitglieder des VfB-Fanclubs Leonberg 1976, die das Lokal im Hinteren Zwinger zu ihrem Treffpunkt gemacht haben.

Eine düstere Prognose

Für den Vorsitzenden und Klub-Mitbegründer Bernd-Michael Jetter wäre der Abstieg so etwas wie eine unerwünschte Zeitreise in die Vergangenheit, stand er doch schon in der Zweitliga-Saison im Jahr 1976 im A-Block. Richtig zuversichtlich ist der 55-Jährige für Samstag nicht. „Wenn die Mannschaft ein Tor kassiert, dann bricht sie zusammen“, sagt der Rechtsanwalt.

Könnte aber ein Abstieg langfristig eine heilsame Wirkung zur Folge haben? Laut Jetter wäre ein Gang in die zweite Liga fatal. „Ich denke nicht, dass man innerhalb einer Saison die bisherigen Probleme löst und direkt aufsteigt“, sagt er. Hansi Haußmann sieht darin indes eine „Chance für einen Neustart“. „Sonst wird wieder alles schön geredet, und es geht in der nächsten Saison genauso weiter!“, sagt er.

Klar ist: Auch wenn ein Happy End für den VfB ausbleiben sollte, „Ich werde zu 1893 Prozent auch in der zweiten Liga die Mannschaft anfeuern“, kündigt Gerd Eckhardt an. Und spricht damit wohl für alle.