Es ist Sommer: Zeit also, aufs Rad zu steigen und die Augen zu öffnen. Denn zu entdecken gibt es im Altkreis einiges, etwa den Glemsmühlenradweg. Er führt fast vom Ursprung des Baches bis zu seiner Mündung in die Enz

Altkreis - Bei der ersten Trinkpause an der Schlossmühle in Ditzingen ist Jörg Zink zum Scherzen aufgelegt. „An der Strecke hätte auch Don Quijote seine Freude!“, sagt der Radler aus Leonberg, der den Glemsmühlenradweg bestens kennt. Gut, der durchgeknallte Rittersmann von der Mancha hatte es bei seinen Abenteuern vornehmlich auf Windmühlen abgesehen, aber vielleicht würden die historischen Fachwerkhäuser mit ihren Getreidemühlen zumindest als Sparringsgegner durchgehen. Gleich 19 Mühlen liegen an dem Radweg, der sich an der Glems entlang zieht – fast von ihrem Ursprung bis zur Mündung in die Enz bei Unterriexingen.

 

In den meisten der noch heute betriebenen Mühlen auf der rund 40 Kilometer langen Strecke – die älteste von ihnen wurde im zwölften Jahrhundert erbaut – wird nicht mehr wie früher mühsam Korn gemahlen. Stattdessen lassen die Besitzer das Wasser über moderne Turbinen fließen.

So wird die im Jahr 1350 erstmals als „Schnurrenmüllers Mülln“ erwähnte Schlossmühle in Ditzingen, die einst in den Besitz des Humanisten Johannes Reuchlin überging, mittlerweile mit einer Durchströmturbine genutzt. So manche Mühle wartet neben einem eigenen Hofladen mit einer Sonnenterrasse auf. Optimal, um den Akku aufzuladen.

Nach einem ordentlichen Schluck aus der Flasche tritt Jörg Zink wieder in die Pedale. Durstig ist der Mann bei der Affenhitze, radelte doch er auf seinem Drahtesel vor den Toren Leonbergs am Hotel Glemseck los – das ist der offizielle Startpunkt des Glemsmühlenradwegs. Dann ging es entlang dem Glemswald, am Naturdenkmal Schopfloch und dem städtischen Bauhof vorbei, wo er die Lahrensmühle passierte.

Hinter der Glemsaue heißt es: Zähne zusammenbeißen!

An der Tal-Kreuzung in Richtung Höfingen flitzte er an der früheren Clausenmühle vorbei, die 1971 völlig abgebrannt war und heute als landwirtschaftliches Anwesen betrieben wird, bevor er auf der Höfinger Gemarkung die Felsensägmühle erreichte – hier tobt sich inzwischen eine Seniorengruppe kreativ aus.

Nach der Scheffelmühle im Landschaftsschutzgebiet „Unteres Glemstal“, die nach ihrem ersten Besitzer „Schöffel“ benannt wurde, ließ er die beiden Eulen-Skulpturen von Walter Hornstein und sicherlich auch den ein oder anderen nassgeschwitzten Jogger hinter sich und erreichte hinter dem Klärwerk die Fleischmühle, wo noch nach traditionellen Mahlmethoden gemahlen wird.

An der Tonmühle vorbei radelte er weiter in Richtung Ditzingen, erblickte zu seiner Linken die Zechlesmühle, bevor er schließlich im Ortskern über den „Ritter von der traurigen Gestalt“ sinnierte. Im öffentlichen Bücherschränkle der „Glems-Bibliothek“ unweit der Schlossmühle war der Klassiker von Miguel de Cervantes übrigens nicht zu finden. Doch Lesestoff wie etwa der Ratgeber „Krieg endlich den Arsch hoch!“ könnte bei Drückebergern durchaus für einen Motivationsschub sorgen.

Hinter der Grünanlage „Glemsaue“ am Ortsende heißt es: „Zähne zusammenbeißen!“ Denn hier ist erste Anstieg der Tour zu bewältigen, geht es doch zwischen den weiten Ackerflächen unterhalb von Hirschlanden immer wieder bergauf. Nach der Talmühle überquert man die Kreisstraße 1656 und hält sich rechts bis zur Abzweigung ins Tal. Der Weg führt direkt zur Glemsmühle, die zeitweise als Elektrizitätswerk genutzt wurde.

Ein „Aufwärmkurs“ für geübte Radler

Entlang des Nippenburger Waldes wird es idyllisch. Wer hier nicht die Picknickdecke auspackt, ist dennoch gut beraten vom Rad abzusteigen. Wartet doch hinter der ehemaligen Sägmühle eine fiese Steigung – der schöne Blick auf die Burgruine Nippenburg kann den geplagten Radler nicht ganz über die Strapazen hinwegtrösten. Gleich danach auf Höhe des Mühlunterhofes geht es aber wieder bequem bergab bis zur Hagmühle, die schon seit 1185 besteht und damit der „Oldie“ unter den Mühlen ist.

Dem Natur-Lehrpfad „Mittleres Glemstal“ folgend, radelt man an Schrebergärten vorbei, wo einem schon mal in der Glems planschende Menschen begegnen. „Hauptsache abkühlen!“, ruft der junge Mann mit dem Bierchen in der Hand zu. Recht hat er. Bei hochsommerlichen Temperaturen ist man nicht wählerisch.

Eine Pokémon-Arena vor den Toren der Mühle

Am Ortseingang von Schwieberdingen erreicht man die Stumpenmühle. Der weitere Weg führt in die Stadt, später nach Markgröningen, wo sich die Glems im bewaldeten Tal schon mal von ihrer wildromantischen Seite zeigt. Vorbei an weiteren Mühlen endet die Tour an der Bachmühle in der Unterriexinger Ortsmitte. Rund 400 Meter weiter mündet die Glems schließlich in die Enz.

Übrigens: Wer Lust und Zeit hat, kann dem Müller über die Schulter schauen. Aber: Eine Voranmeldung ist erwünscht. Ansonsten kann man sich die Stippvisite abschminken. Um es mit den Worten eines Eigentümers zu sagen: „Sonntags schlendern hier schon mal 200 Leute vorbei, da will man auch mal seine Ruhe haben!“ Und als wäre das nicht schon genug: „Seit Neuestem gibt es auch noch eine Pokémon-Arena direkt vor der Einfahrt!“ Wie auch immer: Geübte Radler verbuchen den Glemsmühlenradweg unter „Aufwärmkurs“, für alle anderen Fahrradfahrer ist er beileibe kein Kampf gegen Windmühlen – um bei Don Quijote zu bleiben.

Name:
Glemsmühlenradweg Streckenlänge: rund 40 Kilometer (je nach Einstieg), rund 300 Höhenmeter Start und Ziel: Glemseck und Unterriexingen Anbindung: Durch die Nähe zur S-Bahn besteht die Möglichkeit, den Weg in Etappen zu erkunden und an verschiedenen Orten zu starten. In Unterriexingen lässt sich die Tour auf dem Enztal-Radweg fortsetzen. Sonstiges: Die Strecke eignet sich für alle Altersgruppen, verläuft bis auf einige Schotterwege überwiegend auf asphaltierten Wegen.