Corona hat die Vereine bereits stark gebeutelt. Jetzt kommt es noch bitterer: Die Abfallverwertungsgesellschaft des Landkreises Ludwigsburg stellt die Vereinskooperationen für Altpapiersammlungen ein. Was hat zu dieser Entscheidung geführt?

Ludwigsburg: Susanne Mathes (mat)

Kreis Ludwigsburg - Ihr Jubeljahr hatten sich die Mitglieder des VfB Tamm anders vorgestellt. Das Eröffnungsfest zum 100-Jährigen musste wegen Corona ebenso flachfallen wie die Geburtstags-Sommerparty. Ob aus der Jahresfeier im November etwas wird, steht auch noch in den Sternen. Jetzt muss der Verein den nächsten Rückschlag verdauen: Die Abfallverwertungsgesellschaft des Landkreises Ludwigsburg (AVL) verlängert nach 2020 die Verträge für die Altpapiersammlungen nicht mehr. „Das ist ein herber Verlust“, stöhnt der VfB-Vorsitzende Wolfgang Kellner.

 

„Es ist nicht so, dass wir uns die Entscheidung leicht gemacht hätten“, sagt AVL-Geschäftsführer Tilman Hepperle. „Es war eine gute Möglichkeit, Vereine zu unterstützen.“ Mehrere Entwicklungen, die die ALV selbst nicht in der Hand habe, hätten letztlich zu dem Entschluss geführt. Weil China seine Altpapier-Importvorschriften massiv verschärft habe, seien die Preise im Keller und der Druck groß.

Zu viele Unbekannte in der Rechnung

Dann sei die Corona-Krise dazugekommen. Bereits terminierte Vereins-Sammlungen mussten monatelang ausfallen, „und wie sich die Corona-Situation weiterentwickelt und wie die Vereine künftig bei der Stange bleiben, ist für uns schwer zu kalkulieren“, sagt Hepperle. Weil zum Jahresende auch der Vertrag zwischen der AVL und dem Waiblinger Abfallentsorger Alba ausläuft – er übernimmt die Verwertung für die Vereinssammlungen, während das Papier aus Tonnen und Wertstoffhöfen das Unternehmen Suez weiterverwertet–, habe man schweren Herzens entschieden, kein neues Ausschreibungsverfahren zu starten. Es gebe zu viele Unbekannte in dieser Rechnung, argumentiert der AVL-Chef.

Die Vergütung für die Vereine hätte in den nächsten zwei Jahren so stark reduziert werden müssen, „dass sich eine Sammlung über die AVL nicht mehr lohnt“, so Hepperle. Die Erfassung und Verwertung von Altpapier über die Vereine dürfe für die Gebührenzahler nicht teurer werden als über die Grüne Tonne „flach“. Dazu komme als weiterer Unsicherheitsfaktor, dass es von 2022 eine Veränderung bei der Wertstofferfassung geben könnte, was sich zusätzlich auf die Höhe der Vereinsvergütung niederschlagen könnte. „Aus abfallgebührenrechtlicher Sicht bleibt uns einfach keine Alternative“, sagt Hepperle.

2019 sammelten die Vereine mehr als 2500 Tonnen Altpapier

Die Vereine, mit denen die AVL bisher kooperiert, bekommen einen Fixerlös von 40 Euro pro gesammelter Tonne Altpapier – und einen Bonus, der vom aktuellen Marktpreis abhängt und von Sammeltermin zu Sammeltermin variieren kann. „Im Schnitt bleiben rund 1000 Euro pro Sammlung hängen“, berichtet Wolfgang Kellner am Tammer Beispiel. „Dafür werden Spielmaterialien oder Trikots angeschafft.“ Gerade für Jugendmannschaften sei dieses Geld ein wichtiger Faktor: „Eine aktive Mannschaft schafft es noch eher, einen Sponsor zu bekommen“, erzählt Kellner. Für den Nachwuchs sei das schwerer – „und ein Trikotsatz, der etwas taugt, kostet zwischen 800 und 1000 Euro.“ Die Tammer Bürger steuerten beträchtliche Papiermengen bei, „die Abteilungen haben ihre Connections und fragen auch bei Unternehmen an“, so Kellner. Da fielen dann auch mal stapelweise nicht mehr aktuelle Reisekataloge an. Wie der drohende Einnahmeverlust von mehreren Tausend Euro im Jahr aufgefangen werden soll, weiß der Vereinsvorsitzende noch nicht.

Mit fast 70 Gruppierungen im Landkreis kooperiert die AVL – darunter Sportvereine, Musikvereine, Chöre, Fördervereine, Kirchengemeinden, Pfadfinder, Feuerwehren oder Rot-Kreuz-Gruppen. Allein aus Ludwigsburger Stadtteilen sind sechs Vereine mit von der Partie. Von den 41 180 Tonnen Papier, Pappe und Kartonagen, die im Jahr 2019 im Landkreis anfielen, kamen 2558 Tonnen aus Vereinssammlungen, berichtet Tilman Hepperle.

„Wir haben im Moment keine Alternative“

Auch für den Sport- und Kulturverein des Remsecker Teilorts Hochberg markiert der drohende Wegfall der Sammlungserlöse einen schmerzhaften Einschnitt. „Wir machen sechs Sammlungen im Jahr. Das trifft uns sehr“, sagt der Vorsitzende Tim Eckert. Zumal in der Vereinskasse wegen Corona ohnehin ein 15 000-Euro-Loch klaffe; Veranstaltungen wie ein Jugend-Fußballturnier oder ein Freizeit-Elfmeterschießen fielen flach – und die Einnahmen damit aus. Er habe zwar spontan überlegt, so Eckert, ob der Verein künftig ein großes Fest zur Kompensation auf die Beine stellen solle. Aber dann brauche es wieder Mengen von Helfern. Eckerts Fazit: „Wir haben im Moment keine Alternative.“

Laut AVL bedeutet die Entscheidung nicht automatisch das Ende der Altpapiersammlungen: „Die Vereine dürfen ihre Sammlungen weiter fortführen. Die AVL wird das Altpapier für die Vereine aber nicht mehr vermarkten“, so die Info. Das könnten private Dienstleister übernehmen. Ob sich das für die Vereine noch lohnen würde, steht auf einem anderen Blatt.