Kurz vor Heiligabend 2010 hat ein Adventskranz einen Großbrand in der Konstanzer Altstadt ausgelöst – zwei Jahre später steht eines der beiden zerstörten Häuser wieder.
Konstanz - Die Wunden, die Brände hinterlassen, können furchtbar sein. Doch müssen Brandmale nicht zwingend abstoßend wirken. Das zeigt das Eckhaus in der Hussenstraße 1, das nach dem verheerenden Altstadtbrand von Konstanz, der am 23. Dezember 2010 zwei mittelalterliche Gebäude in der historischen Altstadt buchstäblich vernichtete, wieder aufgebaut wurde. Groß und mächtig prunkt es wie eh und je an der markanten Ecke am Konstanzer Obermarkt. Auch wenn es nicht mehr das historische Fachwerkhaus ist, das die Historiker als das Haus zum Bub kennen und dessen Baugeschichte bis ins frühe 13. Jahrhundert reicht.
Fremde könnten in Unkenntnis der Vorgeschichte bei einem flüchtigen Blick meinen, das alte Gemäuer sei lediglich saniert worden. Denn die Bauherren haben nicht nur den alten Dachstuhl nachgebaut, sondern auch die noch einzige stehende Wand in den modernen Bau integriert. Auch der Keller aus dem frühen 13. Jahrhundert blieb erhalten. Dort war auch ein Brunnen wieder entdeckt worden. Durch den Brand und die Vernichtung des Hauses erhielten die Denkmalpfleger eine Fülle neuer Informationen über die Geschichte dieses wichtigen Gebäudes sowie über das Mittelalter insgesamt, die so nur bei einer vollständigen Erkundung möglich gewesen wären. Etwa durch chronologische Untersuchungen am Fachwerk, deren Ergebnisse bald vorliegen sollen, sagt der städtische Denkmalpfleger Frank Mienhardt.
Adventskranz fällt auf Schuhkartons
Am Tag vor Heiligabend 2010 war am frühen Morgen im Schuhgeschäft der Eigentürmerfamilie ein mit Kerzen bestückter Adventskranz auf Schuhkartons gefallen und hatte binnen kurzer Zeit ein Feuer entfacht, das sich in Windeseile ausbreitete. Brandsachverständige der Feuerwehr stellten im Nachhinein fest, dass aufgrund der Bauweise ein Kamineffekt entstand. Zudem fehlten Brandschutzwände, und es gab keinen direkten Zugang zu dem Eckhaus. Aus der ganzen Region wurden Feuerwehren angefordert, insgesamt waren an fünf Tagen 500 Leute im Einsatz. Von dem Brand betroffen waren auch die beiden Nebengebäude in der Hussenstraße 3 und der Kanzleistraße 19. 26 Bewohner hatten vorüber gehend ihr Obdach verloren, ein Mann hatte sich schwer verletzt. Zum Entsetzen der zahlreichen Schaulustigen und Rettungskräfte war das Haus zum Bub am frühen Nachmittag eingestürzt. Die beiden in Mitleidenschaft gezogenen Nebengebäude blieben erhalten. Bei der Hussenstraße 3 musste der rückwärtige Gebäudeteil abgerissen werden.
Das Haus in der Kanzleistraße 19 steht noch immer. Mächtige Stämme bewahren die Fassade vor dem Einsturz. Doch soll es auch baldmöglichst abgerissen werden. Der Brand und das viele Löschwasser haben die Bausubstanz so nachhaltig geschädigt, dass es nicht erhalten werden kann.
Zwist um zweites Gebäude
Während die Historiker und die Denkmalpfleger voll des Lobes sind, wie sich das ehemalige Haus zum Bub wieder in das mittelalterliche Ensemble des Stadtbildes integriert, hat sich die Gestaltung des Hauses in der Kanzleistraße 19 ein Streit entfacht. Schon zwei Mal mussten die Architekten der Eigentümer, Inhaber eines Brillengeschäfts, dem vierköpfigen Gestaltungsbeirat, einem mit Fachleuten besetzten Gremium, Entwürfe vorlegen. Das bauliche Umfeld müsse stärker in die Planungen einbezogen werden. Auch der Eingangsbereich mit Schaufenstern stieß den Experten auf.
Selbst am neuesten Entwurf, der unter anderem keine Dachgauben mehr vorsieht, findet noch keine Gnade bei kritischen Gemeinderäten. Der Grünen-Stadtrat Werner Allweis befand den Entwurf für noch immer „nicht altstadtgerecht“. Selbst der Denkmalpfleger Frank Mienhardt ist da konzilianter. Es gebe in dem Entwurf „eine klare Anknüpfung an den baulichen Kontext“. Eine Lehre zumindest hat die Stadt aus der Brandkatastrophe gezogen. Seit zwei Jahren sind an Silvester Feuerwerkskörper in der Altstadt streng verboten. Wer sich nicht daran hält, muss mit Geldbußen von bis zu 50 000 Euro rechnen.