Am heißesten Tag des Jahres Schließung des Böblinger Freibads schlägt Wellen

Tote Badehose in Böblingen: Am Mittwoch musste das Freibad wegen akuter Personalnot schließen. Foto: Stefanie Schlecht

Ausgerechnet am heißesten Tag des Jahres musste das Böblinger Freibad am Mittwoch wegen Krankheitsausfällen schließen. Die Auswirkungen waren im ganzen Kreis zu spüren.

Sonnenstrahlen spiegeln sich auf dem Schwimmerbecken im Böblinger Freibad. Das Thermometer klettert in Richtung 35-Grad-Marke. Das glitzernde Lichterspiel ist die einzige Bewegung auf der Wasseroberfläche an diesem Mittwochnachmittag. Ansonsten ist alles ruhig. Es ist der bisher heißeste Tag des Jahres – und ausgerechnet heute ist das Freibad ab 12.30 Uhr geschlossen. Der Grund: Mehrere Schwimmmeister sind krankheitsbedingt ausgefallen.

 

Während hier auf den Becken die Wasseroberfläche ganz still bleibt, schlägt die Schließung des Böblinger Freibads andernorts hohe Wellen. Zum Beispiel auf der Facebook-Seite der Stadtwerke Böblingen. Unter dem Post zu der kurzfristigen Schließung stehen schon bald mehr als 200 Kommentare. Sehr viele Gäste äußern Verständnis, einige machen jedoch mit harschen Worten ihrem Unmut Luft.

Schmähkommentare über vermeintlich untätig am Beckenrand stehende Bademeister oder überzogene Vorschriften provozieren schließlich eine wütende Gegenreaktion. Eine Nutzerin listet auf, wie viele Aufgaben und Verantwortung weit über die Bäderaufsicht hinaus am Beruf des Schwimmmeisters hängen: von Technik- und Reinigungsarbeiten über medizinische Hilfe und zunehmende Sozialarbeiteraufgaben bis hin zum Müll- und Dreckwegräumen, wenn die Badegäste längst gegangen sind. „Ich hab diesen (undankbaren) Job 14 Jahre lang gemacht und genau Kommentare wie hier sind maßgeblich der Grund, warum wir keinen Bock mehr (auf Euch) haben!“, spricht sie offenbar aus gemachter Erfahrung.

Manch ein Kommentar schießt nicht nur übers Ziel hinaus, sondern geht auch am Thema vorbei. So landen einige Personen mit ihren Schuldzuweisungen reflexartig bei kriminellen Migranten. Diese seien der Grund, warum Freibäder nicht mehr sicher seien und das Personal überfordert sei. Die Stadtwerke reagieren auf solche Kommentare bemerkenswert höflich, mahnen zur Einhaltung der Netiquette und verweisen – flankiert von weiteren Community-Mitgliedern – darauf, dass hier nicht ein Mangel an Security vorliege, sondern es einfach nicht genügend Schwimmmeister gebe.

Wegen Personalmangel geschlossen: Kassenhäuschen am Böblinger Freibad. Foto: Stefanie Schlecht

„Es gibt aktuell das Problem, dass einige Wenige scheinbar jedes Thema als Plattform nutzen“, sagt Birte Engel. Die Kommunikations- und Marketingleiterin der Stadtwerke Böblingen hält mit ihrem Social-Media-Team jedoch entschieden dagegen. „Weil wir Hetze und politische Instrumentalisierung auf unserer Plattform nicht wollen und auch nicht dulden“, macht sie deutlich.

Auch ein sarkastisches „Armes Deutschland“, das bei nahezu jedem Social-Media-Beitrag über vermeintliches Politik- oder Ämterversagen fast schon zum schlechten Ton gehört, lassen die Stadtwerke nicht unkommentiert stehen. „Seit 72 Jahren gibt es ein tolles Freibad in Böblingen und damit einen wichtigen Teil der Stadtgesellschaft“, kontert der städtische Betrieb. „Dass wir in einer Zeit, in der in Deutschland viele Bäder geschlossen werden, in Böblingen den Betrieb weitgehend reibungslos und vollumfänglich aufrechterhalten, ist etwas, das gewürdigt werden sollte“, findet Birte Engel.

Lange Wartezeiten und Parkplatzchaos beim Freibad Sindelfingen

Abgesehen von der digitalen Welt wirkte sich die Schließung des Böblinger Freibads auch in der realen Welt aus. Zum Beispiel in der Nachbarstadt: „Freibad Sindelfingen – keine Parkplätze. In der Schlange stehen mehrere Hundert Leute da. Wahnsinn!“, deutet ein Facebook-Kommentar an, was dort am Mittwoch los war. Roland Eckardt sieht die Sache dagegen eher gelassen. „An heißen Tagen sind so ein Andrang und 50 bis 60 Minuten Wartezeit an den Kassen gar nicht so ungewöhnlich“, sagt der Abteilungsleiter Bäder der Stadt Sindelfingen. Und dass es an Hitzetagen nie genug Parkplätze gibt, gelte im Prinzip für alle Freibäder. Allerdings räumt er durchaus ein, dass sich die Schließung des Böblinger Freibads auf jeden Fall bemerkbar gemacht habe. „Wir hatten am Mittwoch 6500 Badegäste – für einen Wochentag außerhalb der Ferien ist das schon recht viel“, erklärt Eckardt. Er habe sich deshalb auch selbst an den Beckenrand gestellt, um sein Schwimmmeister-Team zu entlasten.

In Hildrizhausen und Holzgerlingen mussten die Freibäder am späten Nachmittag sogar wegen Überfüllung schließen. Hildrizhausens Bürgermeister Matthias Schöck spricht von einem „Dominoeffekt“, den die Freibadschließung in Böblingen ausgelöst habe. „Um halb sechs hat mich unser Betriebsleiter angerufen“, so der Rathauschef. Aus Sicherheitsgründen habe man die Menschen an der Kasse abweisen müssen.

Laut Stadtwerke Böblingen sind keine weiteren Schließungen in Sicht

In Holzgerlingen musste das Waldfreibad laut Jean-Rémy Planche, dem Geschäftsführer der Stadtwerke Holzgerlingen, lediglich für eine halbe Stunde das Kassenhäuschen dichtmachen. Danach habe sich die Situation wieder etwas entspannt. Bei der Besucherzahl habe man auf jeden Fall einen deutlichen Anstieg gemessen. „Am Dienstag waren es 1100 Gäste, am Mittwoch hatten wir 1800. Ich denke, das kann man auf jeden Fall auf Böblingen zurückführen“, ist Planche überzeugt.

Wenn alles gut läuft – und danach sieht es nach Stadtwerkesprecherin Birte Engel derzeit aus – wird die Schließung am Mittwochnachmittag ein einzigartiges Ereignis bleiben. „Ab sofort hat unser Freibad wieder uneingeschränkt zu den regulären Öffnungszeiten geöffnet“, teilt sie mit und bedankt sich für die „großartige Unterstützung“ der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer sowie der DLRG und der Bäderhilfe GmbH. Mit vereinten Kräften könne man den Personalausfall kompensieren und den Badebetrieb wie gewohnt sicherstellen.

Gesetzliche Vorgaben

Aufsichtspflicht
Bundesgesetzbuch (BGB) und Deutsche Gesellschaft für das Bäderwesen (DGfdB) schreiben eine „Verkehrssicherungs- und Aufsichtspflicht in öffentlichen Bädern während des Badebetriebes“ vor. Für Becken bestimmter Größe ist eine festgelegte Mindestanzahl an Fachpersonal gesetzlich zwingend vorgeschrieben.

Bäderhilfe GmbH
Die DLRG reagiert auf den Personalmangel in Bädern im Kreis Böblingen mit einer eigenen Unternehmensgründung. Die „Gesellschaft für Bäderhilfe “ soll die Arbeit der DLRG überall dort mit hauptamtlichen Kräften unterstützen, wo das Ehrenamt an seine Grenzen stößt.“

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