Die Stuttgarter Philharmoniker und das Bix-Team wollen das Gustav-Siegle-Haus gemeinsam öffnen und regelmäßig abends bespielen. Durch die Initiative soll ein neues und neugieriges Publikum ins Leonhardsviertel gelockt werden.

S-Mitte - Das Gustav-Siegle-Haus mitten in der Stadt soll stärker als spannender, genreübergreifender Kulturort ins Bewusstsein der Stuttgarter rücken. Dafür haben die Stuttgarter Philharmoniker und das Team des Jazz-Clubs Bix die Idee der Nachtschwärmer-Konzerte entwickelt, die am kommenden Freitag, 10. November, Premiere feiern. Dann öffnen der Jazzclub und die Philharmoniker erstmals die Verbindungstür zwischen ihren Räumen, bespielen gemeinsam den großen Saal, das Foyer und den Club und das Publikum kann zwischen den Räumen und Musikwelten flanieren. Ziel des Experiments ist, durch solche Projekte vor allem abends mehr und auch neues Publikum anzulocken und so das ganze Leonhardsviertel und auch das benachbarte Bohnenviertel zu beleben.

 

Viel Kultur schon vor der Kulturmeile

„Kultur fängt für viele doch erst am Charlottenplatz mit der Kulturmeile an“, sagt der Musikdramaturg Albrecht Dürr von den Stuttgarter Philharmonikern. Das Siegle-Haus werde von diesem Kulturpublikum oft vergessen. „Dabei ist das Haus super“, sagt der kaufmännische Intendant der Philharmoniker, Tilmann Dost. „Wir haben jedes Jahr 4000 Kinder hier bei den Kinder- und Familienkonzerten.“ Außerdem gibt es öffentliche Proben, Kammermusikmatinees, Kultur am Nachmittag. Nur abends ist der große Saal oft verwaist und weite Teile des Hauses leer – weil die Philharmoniker dann zum Beispiel in der Liederhalle oder wie am Montag und Dienstag in Graz spielen. Das will Dost jetzt gemeinsam mit dem BixTeam ändern. „Wir wollen das Gustav-Siegle-Haus öffnen und mehr Abendveranstaltungen machen“, sagt der Intendant in seinem Büro unter dem Dach des denkmalgeschützten Gebäudes. „Die Idee ist, diesen Stadtteil abends mit Kultur zu beleben.“

Zur Premiere der Nachtschwärmer-Konzerte am Freitag wagen das Bix und die Philharmoniker ein Experiment. Erwartet wird die Akkordeon-Künstlerin Ksenija Sidorova, die an dem Abend zwischen Saal und Club, zwischen Mendelssohn Bartholdy, Bach, Tangos und Jazz wandeln wird. Wie für die beteiligten Künstler werden dabei auch für das Publikum Welten aufeinander stoßen: Im Bix genießt das Publikum die Musik trinkend und redend, bei den Philharmonikern dagegen hat man bisher – bis auf den Zeitpunkt des Applauses – möglichst still auf seinem Platz zu sitzen. All das wird für die Nachtschwärmer zumindest ein bisschen aufgelöst.

Zwischen Klassik und Jazz

Einlass ins Gustav-Siegle-Haus ist ab 19 Uhr, um 19.30 Uhr beginnt im Foyer ein Überraschungskonzert, dazu werden Getränke und Fingerfood angeboten. Um 20.30 Uhr beginnt im Saal das Konzert mit Ksenija Sidorova und den Stuttgarter Philharmonikern unter der Leitung von Jan Willem de Vriend. Auf dem Programm stehen die erste Sinfonie von Mendelssohn Bartholdy, das d-Moll-Klavierkonzert, bearbeitet für Akkordeon und Orchester, von Bach und drei Tangos von Piazzolla. Teile dieses Programms haben die Musikerin und das Orchester Anfang dieser Woche bereits zwei Mal im Stephaniensaal in Graz gespielt. Im Gustav-Siegle-Haus wird Ksenija Sidorova am Freitag nach diesem etwa anderthalb Stunden langen Programmauftakt – mit kurzen Pausen zwischen den Stücken – Ort und Musikgenre wechseln. Von 22.30 Uhr an steht die gebürtige Lettin, die gerade erst den Klassik-Echo für ihre „Carmen“-Einspielung gewonnen hat, dann mit dem André Weiß Trio auf der Bix-Bühne. Das Trio und die Akkordeonistin haben sich am vergangenen Samstag zum ersten Mal gesehen und angefangen, über ihr Programm im Bix zu sprechen. Tilmann Dost ist gespannt auf den Auftritt: „Das sind alles Profis, die können das.“ Und Charlotte Kreuter vom Bix-Team freut sich: „Das wird eine ganz neue Art von Vielfältigkeit und Durchmischung!“