Italienische Medien nannten sie den „Engel mit den Eisaugen“, italienische Gerichte halten sie für eine Mörderin. Jetzt schildert Amanda Knox ihre Sicht der Dinge im Buch „Zeit, gehört zu werden“. Der StZ-Autor Sebastian Moll hat es gelesen.

New York - Seit jenem verhängnisvollen Tag im November 2007, als die amerikanische Studentin in der pittoresken italienischen Universitätsstadt Perugia verhaftet wurde, ist Amanda Knox eine Projektionsfläche für wilde Fantasien. Insbesondere im katholischen Italien ist sie für viele eine teuflische Verführerin, eine Art Sex-Vampirin. In ihrer amerikanischen Heimat hingegen wird die hübsche junge Frau aus Seattle hingegen eher als ein naives junges Ding gesehen, das durch Dummheit und Unbeholfenheit in einen Albtraum gestolpert ist.

 

Bei all diesem Rauschen um ihre Person ist es nur all zu verständlich, dass Amanda Knox nun das Bedürfnis hatte, ihre eigene Geschichte zu erzählen und sowohl dem Boulevard als auch einer voyeuristischen Öffentlichkeit die Deutungshoheit über ihren Charakter wieder zu entreißen. „Zeit, gehört zu werden“, heißt deshalb auch trefflich das Buch, das sie jetzt vorgelegt hat und die in dieser Woche mit großem begleitenden PR-Getöse gleichzeitig in den USA und Deutschland (Droemer Verlag, 19,99 Euro) erschienen ist.

Die Geschichte hat viel von einem Bildungsroman

Es ist die minutiös erzählte Geschichte eines jungen Mädchens aus gutem Haus, das auszog, um die Welt zu entdecken und sich selbst kennen zu lernen, und das sich unversehens in einem anscheinend unentrinnbaren Labyrinth wieder findet. Ein klassischer Bildungsroman – am Ende ist Knox gealtert und gereift und hat auf die harte Tour fundamentale Dinge über die Welt gelernt, die andere erst nach einem jahrzehntelange Reifeprozess begreifen. „Meine Mutter“, sagt sie, „hat gedacht, sie bekommt die gleiche Amanda zurück, die vor vier Jahren von zu Hause weg gegangen ist. Aber ich bin nicht mehr die gleiche.“

Dabei kann sie den Moment, in dem das Weltbild ihrer Jugend zusammenbrach, punktgenau benennen. Es war der Tag, an dem Knox wegen Mordes zu 26 Jahren Haft verurteilt wurde. Während des gesamten Prozesses, erzählt sie, war für sie vollkommen klar, dass sie gar nicht verurteilt werden kann. Schließlich sei sie ja unschuldig gewesen. Als dann das Strafmaß verkündet wurde, sei „alles, was ich über das Leben zu wissen geglaubt habe, in sich zusammen gebrochen.“