Schon wieder ein Quartal mit Millionenverlusten und keine Aussicht auf rasche Besserung. Amazon droht die bisherige Geduld der Börse zu sehr zu strapazieren. Hat das Unternehmen – etwa mit seinem neuen Smartphone Fire – zu viele Baustellen?

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Eigentlich sollte dieser Freitag für den Online-Giganten Amazon den Startschuss zur Expansion auf einem neuen Markt markieren. Seit Freitag ist in den USA das im Juni vorgestellte erste Smartphone des Konzerns namens Fire auf dem Markt. Doch das Produkt, das mit innovativer Technik wie der Steuerung des Bildschirms per Kopfbewegung glänzen sollte, könnte nun zum Symbol dafür werden, dass Amazon sich zu übernehmen beginnt. Bisher hatten die Aktionäre gleichmütig zur Kenntnis genommen, dass wegen des hohen Wachstumstempos das Unternehmen in den dritten Quartalen regelmäßig in die roten Zahlen schlitterte.

 

Doch nun meldete der Online-Riese am Vorabend der Smartphone-Premiere schon für das normalerweise halbwegs ordentliche zweite Quartal ein Minus von 126 Millionen Dollar (94 Millionen Euro) – und das trotz eines gleichzeitigen Umsatzwachstums von 23 Prozent auf fast 20 Milliarden Dollar. Als Amazon dann ankündigte, dass wegen hoher Investitionen die Zahlen auch im traditionell schwächeren dritten Quartal noch deutlich schlechter sein werden und ein Verlust von mehr als 800 Millionen Dollar wahrscheinlich sei, gab das den Aktionären den Rest. Im dritten Quartal 2013 lag der Nettoverlust nur bei 41 Millionen Dollar. Die Aktie stürzte um mehr als zehn Prozent ab. Rechnerisch wurde damit der Gründer Jeff Bezos um drei Milliarden Dollar ärmer. „20 Milliarden Umsatz zu machen und gleichzeitig Geld zu verlieren, das ist schon eine reife Leistung“, kommentierte der US-Börsenanalyst Colin Gillis von BGC Partners.

Der Amazon-Chef tut einfach das, was er immer getan hat

Dabei hat Amazon-Chef Bezos auch in diesem Jahr nichts anderes gemacht als in den vergangenen 20 Jahren: Seit der Gründung des Unternehmens investiert er die Erträge in besseren Service, den Ausbau des Warenverteilnetzes und neue Produkte. So will Amazon etwa garantieren, dass Kunden, die die neueste Version des Tabletcomputers Kindle gekauft haben, in den USA nach spätestens 15 Sekunden per Videochat mit einem technischen Helfer verbunden sind, der dank seines Einblicks auf den Bildschirm alle Probleme direkt lösen kann. Neue Logistikzentralen vor allem in den USA sollen dafür sorgen, dass die Auslieferung noch schneller wird. Und nicht zuletzt ist das Smartphone Fire ein Symbol dafür, dass für den Giganten immer noch unerschlossene Geschäftsfelder gibt. „Wir sind seit langem dafür bekannt, dass wir loslegen und dann geduldig sind“, sagte Amazon-Gründer Jeff Bezos der „New York Times“: „Man muss jede Menge Trümpfe im Ärmel haben, um ein solches Telefon anbieten zu können. Einer davon ist unser riesiges Angebot an Inhalten. Eine andere ist das gute Image unseres Kundendienstes. Wir haben hier alle Bausteine beisammen.“

Doch die Smartphone-Tester gaben dem Gerät bisher nur mäßige Noten: Zu ehrgeizig und überflüssig seien manche Spielereien. Und statt sich wie beim Kindle-Lesegerät zunächst auf eine vielleicht langweilige, aber solide Performance zu konzentrieren, stürzt sich Amazon nun mit vielleicht etwas zu großen Versprechungen auf einen Hardware-Markt, der gesättigt ist und auf dem die Kunden verwöhnt sind. Bedenklich ist auch, dass Amazons zweites großes Standbein, dass Cloud-Geschäft, schwächelt und unter dem zwischen den großen Anbietern wie Microsoft und Salesforce ausgebrochenen Preiskampf leidet. Die Preise sind teilweise um die Hälfte gefallen. Ein Umsatzminus von 2,5 Prozent vom zweiten auf das dritte Quartal ist für den erfolgsverwöhnten Geschäftszweig äußerst ungewohnt.