Ohne überragenden Spielmacher geht in der NFL nicht viel. Das beweist der Blick auf die Halbfinal-Teams aus Seattle, Green Bay, Indianapolis und New England, die sich am Sonntag gegenüberstehen.

Sport: Gerhard Pfisterer (ggp)

Indianapolis – Trent Dilfer und Brad Johnson sind die Ausnahme unter den Quarterbacks. Sie sind die einzigen beiden Football-Spielmacher ohne Starstatus, die in den vergangenen 20 Jahren in der US-Profiliga NFL den Titel gewinnen konnten. Trent Dilfer triumphierte 2001 mit den Baltimore Ravens, Brad Johnson 2003 mit den Tampa Bay Buccaneers. Ansonsten war der Sieg im Superbowl seit Mitte der 1990er Jahre stets den Nationalhelden auf der komplexesten und wichtigsten Position des beliebtesten US-Sports vorbehalten.

 

Es ist eine Quarterback-Welt

2015 wird es keine Ausnahme geben. Denn in den am Sonntag ausgetragenen Halbfinals der Play-offs um den Einzug in das große NFL-Meisterschaftsfinale laufen ausnahmslos Ausnahmekönner auf. Russell Wilson empfängt mit dem Titelverteidiger Seattle Seahawks die Green Bay Packers um Aaron Rodgers, Tom Brady erwartet mit den New England Patriots die Indianapolis Colts um Andrew Luck.

Quarterbacks stehen stets im Blickpunkt, sie haben die Verantwortung. Sie bekommen als einzige bei jedem Angriffsspielzug den Ball ausgehändigt. Mit ihren Aktionen entscheiden sie in der Regel die Partien – zu Gunsten oder auch zu Ungunsten ihrer Mannschaft. Die Faustregel lautet: Teams mit guten Werfern schneiden gut ab, Teams mit weniger guten Werfern müssen öfter mal den Trainer feuern. Ohne einen Spielmacher der Spitzenklasse geht in der NFL der Gegenwart nicht viel.

Peyton Manning (38) gehört seit seinem Debüt 1998 zum Zirkel der allerbesten Ballverteiler, seine Zeit scheint aber mit dem 13:24-Viertelfinalaus der Denver Broncos gegen die Indianapolis Colts abgelaufen zu sein. Sein Bezwinger war sein Nachfolger als Prototyp des perfekten Quarterbacks: Andrew Luck. Der 25-Jährige vertrieb ihn schon 2012 aus Indianapolis, als die Colts sich das Supertalent an Position eins der Nachwuchsspielerauswahl (Draft) sicherten, nachdem Peyton Manning verletzungsbedingt eine Spielzeit verpasst hatte.

Deutschland spielt auch mit

Der Fußballfan Andrew Luck, dessen Oma Gisela aus Karlsruhe stammt und der sieben seiner ersten elf Lebensjahre in Deutschland verbrachte, ist der Traum jeden Trainers. Mit 1,93 Meter und 109 Kilogramm verfügt er über Gardemaß, er vereint eine außergewöhnliche Spielintelligenz mit einer überdurchschnittlichen Athletik samt potentem Wurfarm. Ihm gehört dank seiner Präzision im Passspiel die Zukunft – und auch schon die Gegenwart?

Am Sonntag trifft der Jungstar, zu dessen Teamgefährten der deutsche Verteidiger Björn Werner zählt, auf den Altmeister Tom Brady (37). Anders als Andrew Luck oder Peyton Manning wurde diesem als Nachwuchsmann nicht die ganz große Karriere zugetraut. Im Draft des Jahres 2000 wurde er erst in der sechsten der sieben Runden an insgesamt 199. Stelle von den New England Patriots ausgewählt. Die meisten Verantwortlichen der anderen 31 NFL-Mannschaften grämen sich bis heute, dass sie sein Talent verkannt haben.

Am 23. September 2001 übernahm Tom Brady nach seiner Verletzung des Stammspielers Drew Bledsoe bei den Patriots das Zepter als Quarterback und führte sie gleich in seiner ersten Saison zum Meistertitel. Mit einem chirurgisch anmutenden Passspiel zerlegt er seitdem die gegnerischen Verteidigungen. Insgesamt zog der auch noch unverschämt gut aussehende Ehemann des brasilianischen Supermodels Gisele Bündchen fünfmal in den Superbowl ein, dreimal triumphierte er.

Wenn es sein muss im Alleingang

Nur der zweimal siegreiche John Elway (Denver Broncos) stand als Quarterback ebenso häufig im Endspiel. Von den beiden Rekordgewinnern Terry Bradshaw (Pittsburgh Steelers) und Joe Montana (San Francisco 49ers) trennt Tom Brady, zu dessen persönlichen Beschützern auf dem Spielfeld der Deutsche Sebastian Vollmer gehört, nur ein Erfolg. Der Sieg 2015?

Die Spielmacher im anderen Halbfinale haben den Superbowl ebenfalls schon mit ihren Mannschaften für sich entschieden. Aaron Rodgers (31) siegte mit den Green Bay Packers 2011, Russell Wilson (26) mit den Seattle Seahawks 2014. Sie sind beide flink auf den Beinen und gewinnen so immer wieder Zeit, um doch noch eine Anspielstation zu finden – oder erlaufen einfach selbst mit dem Ei unterm Arm Yards.

Während Aaron Rodgers die Packers oft mit seiner Extraklasse im Alleingang zu Siegen trägt, hilft Russell Wilson die beste Verteidigung der Liga. Er ist der schwächste Individualist unter den starken Quarterbacks im Halbfinale, für den Starstatus reicht es aber auch bei ihm allemal.