Für die USA wird das Regionaltreffen in Los Angeles kommende Woche zum PR-Fiasko: Mexiko und andere Länder boykottieren wegen Bidens Einladungspolitik.

Korrespondenten: Klaus Ehringfeld (ehr)

Die Agenda für den Gipfel steht seit Wochen: Klimawandel, saubere Energie, Gesundheit, Demokratie, Digitalisierung und vor allem Migration wollen die Staats- und Regierungschefs des amerikanischen Kontinents kommende Woche Montag bis Freitag bei ihrem neunten Treffen in Los Angeles besprechen. Was hingegen wenige Tage vor Beginn noch nicht steht, ist die Teilnehmerliste. Gezielte Nichteinladungen, Drohungen und Boykotte könnten das Treffen inhaltlich zu einer Farce und für US-Präsident Joe Biden zu einem PR-Fiasko werden lassen.

 

Im Kern geht es um die Frage, ob die drei linksnationalistischen und sozialistischen Staaten Nicaragua, Venezuela und Kuba dabei sein dürfen oder nicht. Das Weiße Haus hat mehr oder minder deutlich gemacht, dass die Staatschefs Daniel Ortega, Nicolás Maduro und Miguel Díaz-Canel wegen „Missachtung der Demokratie“ nicht willkommen sind. Das wiederum hat vor allem Mexiko unerwartet auf den Plan gerufen: Präsident Andrés Manuel López Obrador, der es sonst mit internationalen Gipfeln und Themen nicht so hält, hat sich nun zum Verteidiger der Ausgeladenen gemacht. Er will dem Gipfel, der am Montag mit Vorgesprächen beginnt, aus Protest fernbleiben, sollten die USA an ihrer Haltung festhalten.

Alle Länder außer Kuba

Dem Boykott schlossen sich zunächst auch Bolivien und Argentinien an, wobei Argentiniens Präsident Alberto Fernández Ende der Woche einknickte und seine Teilnahme zusagte. Zudem bleibt Guatemalas Präsident Alejandro Giammattei dem Treffen aus bilateralen Gründen fern. Er ist sauer, weil Washington Generalstaatsanwältin Consuelo Porras auf eine Sanktionsliste setzte wegen Korruptionsvorwürfen.

Immerhin hat Brasiliens Staatschef Jair Bolsonaro sein Kommen nach langem Zögern angekündigt. Der Gipfel sollte eigentlich Washingtons neue Verpflichtung gegenüber Lateinamerika betonen und bewusst den Unterschied zu Bidens Vorgänger Donald Trump markieren. Trump war der erste US-Präsident, der einem Gipfeltreffen der Amerikas fernblieb, das etwa alle drei Jahre die Staats- und Regierungschefs von Kanada bis Chile zusammenbringt. Bill Clinton richtete 1994 in Miami den ersten Amerika-Gipfel aus, zu dem alle Länder außer Kuba eingeladen waren. Nachdem Havanna von den ersten sechs Treffen ausgeschlossen blieb, wurde es zu den vergangenen beiden in Panama und Peru eingeladen. Daher ist es verständlich, dass der neuerliche Ausschluss der Insel und anderer Staaten in Lateinamerika Widerstand hervorruft. Zudem zeigt es das gestiegene Selbstbewusstsein einiger Staaten gerade gegenüber Washington, das jahrzehntelang Lateinamerika als seinen „Hinterhof“ betrachtete und auch so behandelte.

Onkel Sam soll leisetreten

„Die lateinamerikanischen Regierungen wollen Washington zeigen, dass es nicht mehr am Kopf des Tisches sitzt und es sich um ein Gipfeltreffen unter Gleichen handelt“, so Brian Winter, Herausgeber der Zeitschrift „Americas Quarterly“, die sich mit der US-Politik in der Hemisphäre befasst. „Onkel Sam soll nicht mehr einseitig entscheiden können, wer auf der Gästeliste steht.“

Aber auf einem Gipfel der Zwietracht würde es schwierig, die dringenden Herausforderungen konstruktiv anzugehen, vor denen der Kontinent steht. Gerade hier bliebe ohne die Teilnahme der Präsidenten Mexikos und Guatemalas jede regionale Verabredung zum Thema Migration in Los Angeles Schall und Rauch, denn beide Staaten stellen mit Honduras zusammen das Gros der Migranten. Zudem ist ein Abkommen in der Frage auch für Biden innenpolitisch vor den Zwischenwahlen im November wichtig.

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Immerhin nimmt der radikal rechte brasilianische Staatschef Jair Bolsonaro nun doch noch am Gipfeltreffen teil, der sein Kommen lange offen gelassen hatte. Bolsonaro war der engste Verbündete von Trump in Lateinamerika gewesen. Seit Joe Biden regiert, sind die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern eher unterkühlt. Denn die USA kritisieren scharf die Abholzung des Amazonas. Nun aber sind in Los Angeles sogar bilateral Gespräche zwischen beiden Staatschefs geplant. Die Abwesenheit Bolsonaros hätte jeden nennenswerten Fortschritt bei zwei anderen wichtigen außenpolitischen Zielen Bidens zunichte gemacht: dem Klimawandel und der Verteidigung der Demokratie.