Der Vater des Amokläufers von Winnenden und Wendlingen, Jörg K., will erreichen, dass die Psychiatrie Weinsberg für die Hälfte der Schadensersatzforderungen aufkommt. Sie habe die Eltern zu spät über den wahren Zustand ihres Sohnes informiert.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

Winnenden - Jörg K. kann gegen das Zentrum für Psychiatrie in Weinsberg klagen. Der Vater des Amokläufers von Winnenden und Wendlingen wirft den Therapeuten des Klinikums vor, sie hätten die Eltern nicht früh genug auf den prekären psychischen Zustand ihres Sohns und auf dessen Tötungsfantasien hingewiesen. Tim K. hatte in Weinsberg mehrere Therapiesitzungen absolviert und war kurz darauf, am 11. März 2009, Amok gelaufen. Der 17-Jährige hatte mit einer Waffe seines Vaters in seiner ehemaligen Schule in Winnenden und bei seiner Flucht durch Wendlingen 15 Menschen erschossen, ehe er sich selbst tötete. Die Anwälte von Jörg K. hoffen nun, in einer Klage gegen die Klinik und die Therapeuten deren Mitschuld am Amoklauf nachweisen zu können und sie zu 50 Prozent an den Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe zu beteiligen.

 

Rechtsschutzversicherung zweifelt an Erfolgsaussichten

Jörg K. hatte gegen seine Rechtsschutzversicherung geklagt, weil diese eine Klage gegen die Klinik ablehnte. Sie hielt einen Prozess für wenig aussichtsreich und fürchtete unnötige Kosten. Das Landgericht Stuttgart entschied, dass eine Klage gegen die Klinik prinzipiell Aussicht auf Erfolg habe und daher die Rechtsschutzversicherung einspringen müsse. Dagegen hat die Versicherung Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht Stuttgart bestätigte aber die erstinstanzliche Entscheidung. Sollte das Klinikum nun im Rechtsstreit unterliegen, muss es sich mit 50 Prozent an den diversen Schadenersatzansprüchen beteiligen. Die Anwälte von Jörg K. lassen wenig Zweifel daran aufkommen, dass sie auch tatsächlich gerichtlich gegen das Zentrum für Psychiatrie in Weinsberg vorgehen werden. Dadurch bestehe „die gute Chance, dass die Opfer des Amoklaufs eine weitere Entschädigung erhalten werden“, schreibt Erik Silcher, einer der beiden Anwälte des Vaters, in einer Pressemitteilung.

Klinikum zweifelt hehre Motive an

Monika Baumhackel, die das Klinikum Weinsberg juristisch vertritt, hält die Erklärung für Augenwischerei: „Die Anwälte stellen es so hin, als führten sie einen heldenhaften Kampf für die Opfer des Amoklaufs. Dabei wollen sie lediglich Ansprüche, die das Land, die Stadt Winnenden, die Geschädigten oder auch die Landesunfallkasse gegen den Vater von Tim K. geltend machen können, an das Klinikum weitergeben. Der Vater handelt ganz einfach nach dem Motto: ‚Was man von mir holt, hole ich mir beim Klinikum wieder.’ Da geht es überhaupt nicht um die Opfer“, echauffiert sich die Fachanwältin für Medizin- und Versicherungsrecht.

Einstweilen stehen die Verhandlungen zwischen der Haftpflichtversicherung des Vaters und den Geschädigten über Schadenersatzsummen kurz vor dem Abschluss, sagt Anwalt Jens Rabe, der viele der Geschädigten vertritt. Mutmaßlich enthalten die Verträge auch eine Verzichtserklärung auf weitere Ansprüche gegenüber Jörg K.. Das heißt, sollte das Klinikum nun juristisch unterliegen und bezahlen müssen, ist fraglich, ob die Opfer davon etwas hätten.