Die ersten Zeugen sind gehört: Mitschüler des Amokläufers von Winnenden und Wendlingen charakterisieren den Täter im neu aufgerollten Prozess gegen den Vater von Tim K. als „freundlich und ganz normal“.

Regio Desk: Oliver im Masche (che)

Stuttgart - Im neu aufgerollten Prozess gegen den Vater des Amokläufers von Winnenden und Wendlingen sind die ersten Zeugen gehört worden. Vier Mitschüler des Jungen, der am 11. März 2009 bei dem Massaker 15 Menschen getötet und 14 weitere verletzt hatte, berichteten am Montag am Landgericht in Stuttgart von einem Besuch im Elternhaus von Tim K. Der Anlass für das Treffen im Frühjahr 2008 war eine Lerngruppe der Schüler für die anstehende Abschlussprüfung an der Albertville-Realschule gewesen. Bei einer Besprechung der Schüler hatte der Vater von Tim K. mehrere seiner Waffen vorgeführt, die gemeinsam mit Munition in einem Tresor lagerten.

 

Unklar ist, wie der Täter an die Munition gelangte

Beim Massaker schoss der Junge mit einer Pistole, die der Vater bereits jahrelang hinter Pullovern versteckt in seinem Kleiderschrank hatte liegen lassen – 113 Schuss feuerte der Amokläufer später mit dieser Waffe bei dem Massaker ab. Bisher ist aber nicht bekannt, wie Tim K. an die Munition gelangt ist. Auch die nun befragten Mitschüler wissen nicht, ob der spätere Amokschütze den Zahlencode für den Waffenschrank des Vaters gekannt hat.Dabei widersprach sich allerdings einer der vier Männer im Alter von 21 und 22 Jahren. Zunächste erklärte er, dass Tim K. damals damit geprahlt habe, die Kombination zu kennen. Später schränkte er die Aussage ein, wonach er nur angenommen habe, dass der Junge sie kenne. Den Widersprich erklärte der Zeuge mit Gedächtnislücken. „Das ist schon so lange her“, sagte er. Ein weiterer ehemaliger Mitschüler von Tim K. erklärte, dass der Vater die gesamte Gruppe vor dem Öffnen des Tresors in den Vorraum geschickt habe, um den Code alleine eingeben zu können. „Tim K. musste auch nach draußen. Er hat sich dabei ein wenig gesträubt“, sagte der Zeuge.

Zeugen charakterisieren Tim K. als „freundlich und normal“

Alle vier Mitschüler charakterisierten Tim K. übereinstimmend als „freundlich und ganz normal“. In der Klasse sei er kein Außenseiter gewesen. Privaten Kontakt habe man mit ihm aber nicht gehabt.Der Vater des Amokläufers war bereits vor fast zwei Jahren wegen fahrlässiger Tötung in 15 Fällen, fahrlässiger Körperverletzung in 14 Fällen und wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden. Der bundesweit erste Prozess gegen einen Angehörigen eines Amokläufers muss aber wegen eines Verfahrensfehlers in Teilen neu aufgerollt werden. Die Verteidiger des Angeklagten hatten keine Gelegenheit bekommen, einen wichtigen Zeugen zu befragen.

Am Freitag werden Therapeuten gehört

Mit Spannung wird nun der nächste Prozesstag erwartet. Am Freitag sind Ärzte und Therapeuten der psychiatrischen Klinik in Weinsberg geladen, die Tim K. etwa ein Jahr vor dem Massaker auf eigen Wunsch hin untersucht hatten. Dabei soll der Junge von seinem Hass auf Menschen und von Tötungsfantasien berichtet haben. In ihrem Abschlussbericht, der erst nach dem Amoklauf fertiggestellt wurde, heißt es offenbar, dass von Tim K. keine Eigen- und keine Fremdgefahr ausgehe.

Im ersten Prozess hatte eine Therapeutin mit Verweis auf ihre ärztliche Schweigepflicht die Aussage verweigert. Der Bundesgerichtshof hat indes erklärt, dass diese möglicherweise aufgehoben werden könne, wenn die Information dazu beitragen, eine schwere Straftat aufzuklären.