Die Verteidiger des Vaters des Amokschützen von Winnenden und Wendlingen fechten auch den zweiten Richterspruch an. Sie hoffen auf Verfahrensfehler des Gerichts. Opferangehörige befürchten ein taktisches Manöver.

Regio Desk: Oliver im Masche (che)

Stuttgart/Winnenden - Bereits zweimal ist der Vater des Amokläufers von Winnenden und Wendlingen am Landgericht in Stuttgart wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz sowie 15-facher fahrlässiger Tötung und 14-facher fahrlässiger Körperverletzung verurteilt worden. Doch der 54-Jährige kann sich nicht damit abfinden, das ihm die Richter eine Mitschuld an dem Massaker vom 11. März 2009 bescheinigen. Seine Verteidiger haben nun im Fall der erneuten Verurteilung Revision eingelegt. Ihr Mandant war am vergangenen Freitag zu einer 18-monatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden.

 

Einer der drei Verteidiger des Vaters von Tim K., Hubert Gorka, bestätigt auf Anfrage der StZ, dass man Revision eingelegt habe. Zu den Gründen möchte der Anwalt nichts sagen. Formal habe man wegen der vorgeschriebenen Frist von einer Woche von dem Rechtsmittel Gebrauch gemacht. „Wir warten nun die schriftliche Urteilsbegründung des Gerichts ab. Diese werden wir dann auf mögliche Verfahrensfehler prüfen“, sagte Gorka.

Gericht hatte Mitschuld des Vaters erkannt

Die Verteidiger hatten in dem Prozess lediglich für einen Waffengesetzverstoß und für eine Straffreiheit plädiert – denn mit dem Tod des Sohnes sei ihr Mandant genug gestraft. Er hatte die Tatwaffe nicht weggesperrt, sondern aus Furcht vor Einbrechern hinter Wäsche im Kleiderschrank versteckt. Und ohne Wissen ihres Mandanten habe Tim K. den Code des Waffenschranks geknackt, in dem der Vater die Munition aufbewahrte. Dies belege die Zeugenaussage eines Schulfreundes von Tim K., wonach ihm der Junge bereits drei Jahre zuvor in Abwesenheit des Vaters Waffen vorgeführt habe, so die Anwälte.

In ihrem Urteil betonten die Richter indes, dass bereits der Verstoß gegen das Waffengesetz die Fahrlässigkeit des Vaters mit sich ziehe. Ohne die Pistole und die Munition, die der 54-Jährige unverschlossen aufbewahrt habe, sei der Amoklauf seines Sohnes nicht möglich gewesen. Daher sei der Mann an dem Massaker mit Schuld.

Angehörige vermuten ein taktisches Manöver

Der 54-Jährige war bereits vor zwei Jahren mit der gleichen Begründung von einer anderen Kammer am Landgericht zu einer 21-monatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Schon damals war die Verteidigung in Revision gegangen, weil sie eine Zeugin nicht befragen konnte. Der Bundesgerichtshof hob dieses Urteil schließlich wegen des Verfahrensfehlers auf.

Beim zweiten Urteil haben die Richter noch knapp zwei Monate Zeit, es zu begründen. Danach muss die Verteidigung ihren im Raum stehenden Revisionsantrag innerhalb eines Monats formulieren. Anschließend gibt die Staatsanwaltschaft ihre Stellungnahme ab. Die Anklagebehörde leitet den Fall schließlich weiter an den Bundesgerichtshof (BGH).

Beim ersten Revisionsantrag dauerte es bis zur BGH-Entscheidung ein dreiviertel Jahr. Angehörige der beim Amoklauf Getöteten befürchten nun, dass es sich nun um ein taktisches Manöver handele, um Zivilprozesse hinauszuzögern. Denn Zivilgerichte warten in der Regel die Rechtskraft eines Urteils eines Strafgerichts ab, ehe sie sich eines Falls annehmen.

Hohe Schadensersatzforderungen an den Vater

Die Schadensersatzforderungen an den Vater von Tim K. summieren sich auf einen zweistelligen Millionenbetrag. Allein die Stadt Winnenden möchte für den Umbau der Albertville-Realschule, in der der 17-Jährige zehn Menschen tötete und eben so viele verletzte, 9,3 Millionen Euro. Sechs weitere Zivilklagen von Einzelpersonen wurden eingereicht.

Hardy Schober, der Vorsitzende des Aktionsbündnisses Amoklauf Winnenden, der bei dem Massaker eine Tochter verlor, ist über den Revisionsantrag empört: „Erneut sollen bei den Angehörigen der Getöteten und bei den Verletzten Wunden aufgerissen werden“, sagt Schober.