Neue Kehrtwende beim Kurzarbeitergeld: Die Ampelkoalitionäre wollen die für die Betroffenen günstigen Aufstockungsregelungen nun doch bis Ende März verlängern. Die Unternehmen sind noch nicht zufrieden.
Stuttgart - Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat eine weitere wichtige Korrektur bei der Kurzarbeit eingeleitet. Damit reagiert er auf die sich zuspitzende Corona-Notlage in manchen Branchen. Demnach soll das schon zuvor bis zum 31. März nächsten Jahres verlängerte Kurzarbeitergeld stufenweise auf bis zu 87 Prozent des letzten Nettoentgelts erhöht werden.
Den Änderungsantrag wollen die Ampel-Koalitionäre auf Vorschlag von Heil im Bundestag einbringen. Er bedeutet, dass vom vierten Bezugsmonat an 70 Prozent der Nettoentgeltdifferenz gezahlt werden – bei mindestens einem Kind im Haushalt 77 Prozent. Ab dem siebten Bezugsmonat sind 80 Prozent (mit Kind 87 Prozent) geplant. Vor Corona betrug der Regelsatz 60 (67) Prozent.
„Dieses Schreckensszenario ist vom Tisch“
Verdi-Chef Frank Werneke begrüßt die verbesserten Aufstockungsregelungen als „wichtiges Signal an viele Beschäftigte, deren Betriebe und Branchen besonders unter der Pandemie leiden“. Vom ersatzlosen Auslaufen der Regelungen wären unter anderem die Luftverkehrsbranche, der Tourismus, die Veranstaltungsbranche sowie weitere Wirtschaftszweige betroffen gewesen. „Dieses Schreckensszenario ist vom Tisch.“ Betroffene hätten bis zu einem Viertel des Kurzarbeitergelds verloren.
Noch Mitte Oktober sah Heil keinen akuten Bedarf, die Sonderregelungen zur Kurzarbeit über den 31. Dezember hinaus zu verlängern – obwohl die Wirtschaft infolge der Lieferkettennöte Druck gemacht hatte. Als sich noch die Pandemie verschärfte, folgte die Kehrtwende: Mitte November beschloss das Bundeskabinett eine Ausweitung des erleichterten Kurzarbeitergeldbezugs bis Ende März. Das heißt zum Beispiel, dass die Zahl der Beschäftigten, die im Betrieb vom Arbeitsausfall betroffen sein müssen, mindestens zehn Prozent ausmachen sollte – im Normalfall ist es ein Drittel.
Volle Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge abgewehrt
An zwei Stellen entzündete sich weitere Kritik von Wirtschaft und Gewerkschaften: einerseits wegen des Wegfalls der Aufschläge, der nun revidiert wurde – andererseits bei den Sozialversicherungsbeiträgen. Denn von Januar an werden den Arbeitgebern die von ihnen während der Kurzarbeit allein zu tragenden Beiträge nur noch zu 50 Prozent erstattet statt bisher vollständig – ein anhaltendes Ärgernis auch für die Unternehmer Baden-Württemberg (UBW), weil Kurzarbeit ein teures Instrument für die Betriebe ist.
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Die CDU-Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut fordert zudem in einem Schreiben an Heil vom 3. Dezember, dass „schwer getroffene Betriebe – wie in der Gastronomie, Hotellerie und der Veranstaltungsbranche – unkomplizierten Zugang zum Kurzarbeitergeld erhalten müssen, ohne die Notwendigkeit im Einzelfall begründen zu müssen“. Die Auswirkungen der Corona-Beschlüsse sollten daher „bundesweit im Erlasswege als unabwendbares Ereignis eingestuft werden“.
Zahl der Kurzarbeiter steigt wieder
Nach Berechnungen des Münchner Ifo-Instituts ist die Zahl der Kurzarbeitenden erstmals seit Februar gestiegen: auf 608 000 im November – nach 598 000 im Oktober. In der Industrie wuchs die Zahl von 271 000 auf 302 000 Beschäftigte. Da mache sich die „Flaschenhals-Rezession, die durch fehlende Vorprodukte zustande kommt, bemerkbar“, heißt es dazu. Im Gastgewerbe stieg die Zahl von 35 000 auf 47 000 Beschäftigte, in anderen Branchen sank sie. Bei den Autoherstellern und ihren Zulieferern verharrte der Wert bei etwa 111 000 Beschäftigten. Vor Corona lag die Zahl der Kurzarbeitenden im Februar 2020 bei insgesamt 134 000, im April sprang sie auf den Rekordwert von sechs Millionen.
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