Wegen der immer früher einsetzenden Frühlingstemperaturen wachen Frosch und Co. vorzeitig aus der Winterstarre auf. Das ist nicht nur deshalb ein Problem, weil sie dann zu wenig Futter finden.

Rems-Murr: Sascha Schmierer (sas)

Wenn sich bitterkalte Nächte mit frühlingshaften Sonnentagen abwechseln, kommt der Stoffwechsel nicht nur bei Menschen durcheinander. Auch für Frösche, Lurche und Co. sind unberechenbare Temperaturschwankungen ein Stressfaktor – zumal es mit der erholsamen Winterstarre immer früher vorbei ist.

 

Das Dilemma an der Klimakrise: durch die zunehmende Zahl überdurchschnittlich warmer Wintertage werden die heimischen Amphibien immer öfter im Winterquartier geweckt. Normalerweise verbringen Laubfrosch, Feuersalamander und Erdkröte die kalte Jahreszeit in geschützten Spalten, in denen ihnen Minusgrade wenig anhaben können. Verborgen unter Laub oder eingegraben in der Erde sind sie vor dem Frost ebenso geschützt wie vor Fressfeinden.

Durchschnittstemperatur im Winter um mehr als 1,5 Grad angestiegen

Erst wenn die Frühjahrssonne auch das Thermometer klettern lässt, kommen auch die Amphibien wieder ans Tageslicht, um mit dem Laichgeschäft zu beginnen. Doch durch den Klimawandel ist der Winter nicht mehr das, was er mal war. Allein in den vergangenen drei Jahrzehnten ist im deutschen Winter die durchschnittliche Temperatur um mehr als 1,5 Grad angestiegen. „Kalte Winter mit langen Frostperioden sind sehr selten geworden. Schon zum Jahreswechsel wurden Rekordtemperaturen zwischen 15 und 20 Grad gemessen, die jahreszeitlich gesehen eher in den April oder Mai passen“, sagt Björn Goldhausen, Meteorologe beim Infodienst Wetter-Online.

Den Amphibien geht das frühe Erwachen an die Substanz. Aus der Winterstarre zu erwachen und den Körper verfrüht auf Betriebstemperatur anzuheizen ist nicht nur kräftezehrend. Es fehlt auch das Futter, um die geleerten Energiespeicher wieder aufzufüllen. Denn für Mücken, Fliegen oder Regenwürmer, die normalerweise auf dem Speiseplan von Grasfrosch und Erdkröte stehen, ist es auch nach ein paar Sonnentagen noch viel zu kalt.

Wenn die Reserven verbraucht sind, fehlt fürs Liebesspiel die Kraft

Das führt zu dem Effekt, dass die Amphibien entweder Hunger leiden oder ihre letzten Reserven verbrauchen – für die anstrengende Wanderung zum Laichgewässer fehlt es bei Ebbe im Speicher an der Kraft. Die Böden, aus denen Würmer und Insekten wuseln könnten, müssen erst noch auftauen. Auch die zur Fortpflanzung genutzten Gewässer sind verglichen mit der vergleichsweise warmen Lufttemperatur noch nicht fürs amphibische Liebesspiel geeignet. Brechen plötzlich Frostnächte herein, werden vorzeitig erwachte Amphibien im wahren Wortsinn kalt erwischt.

Dass der Erfrierungstod die Population etwa bei Erdkröten empfindlich dezimieren kann, ist für Umweltschützer kein Geheimnis. William Patrick vom Naturschutzbund in Winnenden kann bestätigen, dass ein verfrühtes Frühjahr in Kombination mit spätem Frost bei den Tieren mit dem lateinischen Namen bufo bufobereits vergangenes Jahr große Lücken gerissen hat. Seiner Schätzung nach hat der Klimawandel mehr als einem Drittel der Tiere den Garaus gemacht. „In den Eimern hatten wir gut 30 bis 40 Prozent weniger Erdkröten“, sagt Patrick.

Ohne Krötenzaun bleibt von „bufo bufo“ nur noch Matsch übrig

In den Eimern des Vereins landen Amphibien, die auf dem Weg vom Winterquartier zu ihrem Laichgewässer viel befahrene Straßen überqueren müssen. An allen Verkehrswegen, an denen es keine fest installierten Durchlässe für Kröte und Frosch gibt, müssen mobile Leitplanken aufgestellt und Eimer eingegraben werden – sonst bleibt von den wandernden Amphibien nur noch Matsch übrig. Nicht nur in Winnenden tragen ehrenamtliche Helfer die an der Leitplanke entlang gewanderten und in Eimer gefallene Tiere sicher über die Straße – ein Einsatz, der unzähligen Fröschen, Kröten und Molchen das Leben gerettet hat.

Dennoch hat die in Baden-Württemberg für den Verkehr zuständige Staatssekretärin Elke Zimmer erst jüngst einen Appell an die Autofahrer gerichtet, in den ersten warmen Nächten des Jahres den Fuß vom Gaspedal zu nehmen – besonders bei regnerischem Wetter. „Fahren Sie im Bereich der Wanderstrecken mit reduzierter Geschwindigkeit, um zum Schutz von Helfern und Amphibien beizutragen”, mahnt sie.

Für den als „Amphibien-Papst“ geltenden Fellbacher Axel Kwet ist der Tod auf der Straße zwar ein großes Problem für Frosch und Co. Trotz regelrechter Massaker, die es vor der Einrichtung von Unterquerungen gegeben habe, seien gerade wanderfreudige Arten wie Erdkröte, Grasfrosch, Molch und Feuersalamander aber zum Glück noch vergleichsweise häufig. „Bei Zehntausenden Jungtieren, die in guten Gewässern an Land gehen, überleben doch offensichtlich immer genügend, um eine Population erhalten“, stellt der Präsident der Gesellschaft für Herpetologie fest.

Eine weitaus größere Gefahr stelle für alle 22 in Deutschland vorkommenden Amphibienarten der Klimawandel dar – nicht nur durch warme Winter und verfrühtes Frühjahr. „Gerade die letzten Jahre waren viel zu trocken für Amphibien, der Bruterfolg ging bei einigen Arten durch Austrocknen der Laichgewässer in vielen Gebieten gegen Null“, sagt Kwet auf die Frage, ob die Temperatur für Kröte und Frosch womöglich noch gefährlicher ist als der Straßenverkehr. Vor allem der Grasfrosch habe zu kämpfen, aber auch in temporären Kleingewässern laichende Arten wie Kreuzkröte oder Gelbbauchunke. Kwet: „Das Grundwasser hatte sich diesen Winter ja etwas erholt. Aber jetzt regnet es schon wieder wochenlang nicht. Wenn die Tiere aber mehrere Jahre nicht laichen können, stirbt die Population irgendwann aus.“