Der Probstsee in Stuttgart-Möhringen ist ein wichtiges Laichgewässer für Lurche. Doch es werden immer weniger Tiere. Einige Jugendliche wollen das nicht einfach hinnehmen.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Möhringen - Hobby: Kröten retten. So steht es in den Steckbriefen, die Cora, Jule und Meike vorbereitet haben. Stolz übergeben sie ihre Präsentation. Auf den hinteren Seiten haben die drei Mädchen alles zusammengetragen, was sie über die Amphibien wissen. Zum Beispiel, dass Erdkröten warzig sind, zehn bis 15 Jahre alt werden können und am liebsten Würmer, Maden und Schnecken fressen.

 

Doch die drei Mädchen sind keine Theoretikerinnen. Seit 2015 sind die Schülerinnen im zeitigen Frühjahr täglich in den Abendstunden unterwegs. Sie sammeln die Kröten ein, die sonst eventuell auf ihrem Weg zu ihrem Laichgewässer, dem Probst-see, überfahren werden würden. Und sie halten Autofahrer an, um sie zu bitten, langsam zu fahren. Am besten Schrittgeschwindigkeit, denn auch wenn die Kröten nicht unter, sondern zwischen die Räder geraten, überleben sie das oft nicht. Denn der Luftdruck presst den empfindlichen Tieren die Organe aus dem Laib.

Die Schüler haben sich sogar Ausweise gebastelt

Das alles wissen die Schülerinnen von Ulrike Coccia. Die Rentnerin engagiert sich schon seit Jahren für die Kröten rund um den Probstsee. Ihr ist es wichtig, auch die Jugend für das Thema zu interessieren. Darum hat sie die Mädels vor einigen Jahren angesprochen. „Wir kannten uns bis dahin nur vom Sehen. Aber die Mädchen waren sofort Feuer und Flamme“, erinnert sich Coccia. Warum den Kindern die Tiere wichtig sind? „Weil sie ohne unsere Hilfe aussterben würden“, sagt Cora. Sie hat sogar Ausweise für sich und ihre Freundinnen gebastelt. „KRM“ ist darauf zu lesen. „Das bedeutet Krötenrettung Möhringen“, erklärt die Elfjährige. Zum Team gehört seit vier Tagen auch Jette, die ebenfalls in der Nähe des Probstsees wohnt und ihre Liebe zu den Tieren entdeckt hat.

Die Mädchen sind gut ausgestattet mit Warnwesten, Taschenlampen und Eimern mit Deckel. „Den Deckel brauchen wir wegen den Fröschen. Die würden sonst einfach wieder rausspringen“, erklärt Jule. Routiniert laufen die Freundinnen die Straßen ab und leuchten mit ihren Taschenlampen in die Ecken. Sie schauen auch in die Gullys. Die meisten wurden vom Tiefbauamt mit einem speziellen Blech abgedeckt, sodass keine Kröten mehr reinfallen können. Dafür haben sich Ingrid Schulte und Monika Herrmann eingesetzt, die ebenfalls seit Jahren Kröten sammeln. Die Zusammenarbeit mit dem Tiefbauamt klappe hervorragend, lobt Schulte.

Im Gegensatz dazu sind viele Autofahrer nur wenig einsichtig. Die meisten Autofahrer nicken nach der Ansprache der Mädchen am heruntergelassenen Fenster freundlich und setzen ihren Weg dann unbeirrt fort. Aber es gibt auch positive Beispiele. „Einmal hat eine Autofahrerin extra angehalten, die Kröte vor ihrem Wagen aufgesammelt und sie uns gebracht“, erinnert sich Jette. Auch Monika Herrmann kann eine nette Anekdote erzählen: Ein Mann habe neben ihr gehalten und in gebrochen Deutsch gefragt „Kröten essen?“ Der Passant habe wohl gedacht, dass die Ehrenamtlichen sich ihr Nachtmahl zusammensuchen, sagt Herrmann und lacht.

Naturschutz direkt vor der eigenen Haustür

Doch sie wird schnell wieder ernst. Denn obwohl die Ehrenamtlichen natürlich keine einzige Kröte verspeist haben, ist die Zahl der Tiere in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken. Mal waren es mehr als 1000. In diesem Jahr haben die ehrenamtlichen Helfer rund um den Probstsee gerade einmal knapp 50 Amphibien gefunden. Für den Rückgang der Kröten gebe es viele Gründe, sagt Herrmann. Die Autos seien das eine Problem, die extensive Landwirtschaft das andere. „Die Felder werden so tief gepflügt, das überleben die Erdkröten nicht, die sich dort eingegraben haben“, sagt Herrmann.

Und auch an diesem Abend zieht die Gruppe erfolglos durch die Straßen. Die Kinder treffen eine andere Helferin, auch ihr Eimer ist leer. „Ob’ s das für dieses Jahr schon war mit den Kröten?“, fragt Ulrike Coccia ihre Mitstreiterin. „Ich hoffe nicht“, antwortet diese. „Wir sind jedes Mal traurig, wenn die Krötensammelzeit vorbei ist“, sagt Jule und ergänzt: „Dann können wir es kaum abwarten, bis die nächste Saison beginnt.“ Das Gefühl, eine Kröte auf der Hand zu haben, sei einfach unbeschreiblich, schwärmt Cora. „Ich finde es toll, dass sich die Mädchen so engagieren“, sagt eine Mutter. Jeden Freitag demonstrieren Schüler für mehr Nachhaltigkeit und Umweltschutz. „Wir machen unseren eigenen ,Friday for Future’ und tun was für die Natur direkt vor unserer Haustür“, sagt Coccia.