Die Kanzlerin will schnell einen neuen Präsidenten finden. Der schwarz-gelbe Wunschkandidat Voßkuhle aber sagt ab. Auch Norbert Lammert macht es nicht. 

Berlin - Als Ex-Präsident Christian Wulff längst wieder in seinem Klinkerbau in Großburgwedel war, saßen die drei Parteichefs noch im Kanzleramt zusammen. Fast sechs Stunden, bis kurz vor Mitternacht, gingen Kanzlerin Angela Merkel (CDU), CSU-Chef Horst Seehofer und FDP-Chef Philipp Rösler am Freitagabend die Namensliste durch. Ein Name leuchtete rot auf: Andreas Voßkuhle.

 

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts galt als ein Mann, den auch SPD und Grüne hätten mittragen können. Voßkuhle war seinerzeit zwar auf einem „SPD-Ticket“ nach Karlsruhe gekommen, positionierte sich aber nie parteipolitisch. Mit seinen 48 Jahren hätte Voßkuhle durchaus - wie der zurückgetretene Wulff (52) - ein jüngeres, modernes Deutschland-Bild vertreten können. Roman Herzog zeigte 1994, dass ein Verfassungsgerichtspräsident ein sehr gutes Staatsoberhaupt sein kann.

Voßkuhle sagt ab

Es gab aber auch Vorbehalte gegenüber Voßkuhle. Er sei vielleicht zu jung - und ja auch erst knapp zwei Jahre in Karlsruhe an der Spitze. Merkel hätte zudem gleich einen neuen Präsidenten für das oberste Gericht finden müssen. Alles Wenn und Aber war am Nachmittag hinfällig: Nach einer Bedenkzeit sagte Voßkuhle ab.

Gerne hätte Schwarz-Gelb schon am Samstag den Sack zugemacht. Es gab SMS-Kontakte und Telefonate mit den rot-grünen Spitzen. Nun ist ein Gipfeltreffen am Sonntag wahrscheinlich. SPD-Chef Sigmar Gabriel gab die Losung aus: „Qualität vor Schnelligkeit.“

Merkel muss ohne Fehler bleiben

Merkel darf sich nach den Rücktritten von Horst Köhler und Christian Wulff bei ihrer dritten Präsidentenkür keinen Fehler erlauben. Offen ist, ob die Kanzlerin noch alle überrascht und einen „Mister X“ oder eine Frau aus dem Hut zieht. „Wir reden auch über Frauen - logisch“, sagte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast.

Dabei ist schon ein Mann im Rennen, den kaum jemand auf dem Zettel hatte. Der frühere Bischof Wolfgang Huber. Der Ex-Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gilt als Konsenskandidat. Er wäre ein Signal der politischen Klasse an die Bürger, dass es - wie von der Opposition vehement gefordert - eben nicht nach Parteibuch geht, sondern nach der Wulff-Affäre um Moral und Integrität im Schloss Bellevue.

Hubers Wahl wäre riskant

Der 69-jährige Huber gilt als SPD-nahe, wird aber in allen Parteien geschätzt. In der FDP indes wären nicht alle glücklich mit dem Bischof. Hubers Wahl wäre riskant: Er hat keine Erfahrung in Politik und Wirtschaft. Dabei muss ein neuer Bundespräsident bald wieder tiefgreifende Schritte zur Euro-Rettung und stärkeren Integration Europas absegnen.

Als respektabler Kandidat wurde auch Norbert Lammert (CDU) prominent genannt. Doch wie bei der Kandidatensuche 2010 gab es sofort Fragezeichen, ob der wortgewaltige und mitunter widerspenstige Bundestagspräsident im eigenen Lager und bei der Opposition durchsetzbar wäre. Auch Merkel hätte durchaus fürchten müssen, dass Lammert in Bellevue als rhetorisch starker „Neben-Kanzler“ auftrumpfen könnte. Später sickerte durch, dass eine Kandidatur Lammerts nicht mehr infrage komme. Einen aktiven Minister aus dem schwarz-gelben Kabinett lehnen SPD und Grüne strikt ab.

Sollte Merkels Charmeoffensive in Richtung dieser beiden Parteien schiefgehen, könnte es am Ende zu einer Wiederauflage mit einer Kampfkandidatur des rot-grünen Lagers mit Joachim Gauck gegen einen schwarz-gelben Politiker kommen. Dass Merkel über ihren Schatten springt und Gauck noch die Hand reicht, wird in Unionskreisen ausgeschlossen. Der in Umfragen bei den Bürgern beliebteste Kandidat Gauck sei überschätzt, weil er - mit seiner Freiheitsvita - nur ein „Ein-Themen-Mann“ sei, heißt es.