Die Entscheidungen der Verwaltung gegen die Pflanzkübel in der Leonhardsvorstadt und das Nachbarschaftsbänkchen im Westen bekommen nun eine politische Dimension. Auch die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle mischt sich ein und plädiert für das „Modell Stuttgarter Bänkle“.

Stuttgart - Ob in Europa oder in den kleinsten Gassen der Stadt Stuttgart: Immer dann, wenn die Regellust der Bürokraten weit übers Ziel hinausschießt, fühlen sich Bürger gegenüber diesen selbsterhaltenden Systemen ausgeliefert. Zuletzt in der Wagnerstraße, wo Pflanzenkübel auf Pflasterstein einen Charme entwickeln. Oder in der Seyfferstraße, wo die Stadt Bürgern nach acht Jahren der Duldung bildlich eine Sitzbank unter dem Allerwertesten weggezogen hat. Begründung: eine private Möblierung des öffentlichen Raums sei nicht zulässig.

 

Die gleiche Lage in der Leonhardsvorstadt. Nackte Paragrafen und Fakten sollen es unmöglich machen, dass Pflanzenkübel, deren Existenzrecht schon vor Jahren von Amtswegen toleriert worden ist, dort stehen bleiben dürfen. Selbst die Beweisführung der Anwohner per Fotos und Maßband nützt nichts. Das Ordnungsamt beharrt darauf, dass die Feuerwehr und die Polizei nicht an den Kübeln vorbeikommen.

Acht Jahre Toleranz

Eine Bürgerin aus dem Bohnenviertel zog daraufhin einen Vergleich zu den Schiedsrichtern im Fußball. Dort lobe man die Referees, wenn sie Fingerspitzengefühl zeigten. Gemeint damit ist nicht etwa, dass das Spiel dadurch allen Regeln enthoben sei. Es bedeute vielmehr, dass Schiedsrichter (und auch Ämter) einen so genannten Ermessensspielraum hätten. Einen Entscheidungsrahmen oder einen Entscheidungsspielraum. Das mache das Spiel (und das Leben), so die Bürgerin, menschlich.

Gemeinwesen funktioniert anders

Aber nicht nur Bürger sind der Ansicht, dass so keine Basis für ein funktionierendes Stadtleben gegeben sei. Auch der Gemeinderatsverbund „Die Fraktion“ meint: „Verbote für Pflanzkübel der Wagnerstraße in der Leonhardsvorstadt sind absurd.“ Mit ihrer kleinlichen Betrachtungsweise auf gute Initiativen aus den Quartieren löse das Ordnungsamt Kopfschütteln nicht nur bei den Betroffenen aus, kritisiert Luigi Pantisano den Versuch des Ordnungsamts, die Pflanzkübel, die viele Jahre lang in der Wagnerstraße im Viertel standen, entfernen zu lassen. Seine politische Mitstreiterin Laura Halding-Hoppenheit ergänzt: „Wenn Anwohner für Begrünung sorgen, sich dabei mit der Polizei und der Feuerwehr absprechen, dann kann es nicht sein, dass das Ordnungsamt hier so kleinlich dazwischen geht.“

Auch die Kommunalpolitiker sehen Parallelen zum Fall des Bänkchens: „Beim Nachbarschaftsbänkle im Westen ist es das Gleiche: die Verwaltungsspitze möchte für Ordnung sorgen – sieht aber gar nicht, dass es dafür keinen nachvollziehbaren Grund gibt. Das verursacht verständlicherweise Frust bei den Anwohnern. Wir unterstützen Initiativen von Bürgern, die sich für den sozialen Austausch und dringend notwendige Begrünung im öffentlichen Raum einsetzen. Wir erwarten vom Ordnungsamt, dass diesen Bedürfnissen und Notwendigkeiten auch Raum gegeben wird“, fasste Pantisano die Fälle zusammen.

Zumindest in die Pflanzkübel-Affäre hat Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) bei seinem jüngsten Rundgang im Bezirk nun hautnah eintauchen dürfen. Nopper war sogar in der Werkstatt von Möbelrestaurator Fabio Fabian, einem der Beschwerdeführer. Zum Fall selbst äußerte sich der OB nicht. Aber auch dort musste er sich von Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle Kritik in Richtung Ordnungsamt anhören: „Wir brauchen Angebote statt Verbote.“

Das „Modell Stadtbänkle“

Veronika Kienzle beließ es aber nicht bei der Schelte. Sie versucht Nopper das „Modell Stuttgarter Bänkle“ schmackhaft zu machen. „Ich könnte mir vorstellen, dass Bürger von März bis Oktober Bänke nach Absprache und Vereinbarung mit der Verwaltung aufstellen dürfen“, sagt Kienzle, „und wenn der Durchgang schmal ist, könnte man sich auch Bänke vorstellen, die man einklappen oder schnell abschrauben kann“. Denn alles steht für die Grüne unter dem Primat, „dass die Bürger eine Stadt haben, in der sie sich wohlfühlen“. Und genau an solchen Stellen, wie auf einer Bank oder bei Initiativen wie Casa Schützenplatz, beginne Nachbarschaft. Dort, wo sich Menschen treffen können und zusammensitzen. Und wenn es eng werde, rücke man eben zusammen.

Man darf annehmen, dass dieses Zusammenrücken auch auf die Kluft gemünzt ist, die sich in der Wagner- und der Seyfferstraße zwischen Bürgern und Amt auftut.