Vor dem Amtsgericht ist ein junger Vater angeklagt, weil er sein Kind misshandelt haben soll. Er nutzt sein Zeugnisverweigerungsrecht. Aber gegenüber dem Jugendamt hat er mehrere Erklärungsversionen abgegeben.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Im Gerichtssaal macht sich die Hebamme Vorwürfe. „Die Bilder schockieren mich“, sagt die als Zeugin geladene Frau, als sie die Aufnahmen von den Verletzungen des Babys sieht. Einen Oberschenkelbruch hat es erlitten, eine Rippenserienfraktur und einen Schädelbruch. Da war das Mädchen knapp vier Wochen alt. Ihr 26 Jahre alte Vater steht wegen der Misshandlung von Schutzbefohlenen vor dem Böblinger Amtsgericht. Er nutzt sein Zeugnisverweigerungsrecht. Die Erklärung, die er abgegeben hatte, nachdem sein Kind ins Krankenhaus gebracht werden musste, passt nicht zu den Verletzungen. Der Vorsitzende Richter hat deshalb viele Zeugen geladen.

 

An einem Sonntag im Sommer vor zwei Jahren muss es in Bondorf passiert sein. Die junge Familie war bei den Eltern der Mutter zum Grillen. „Es war eigentlich ein recht schöner Abend“, sagte die 23-jährige Mutter im Zeugenstand. Gegen 21.30 Uhr gingen sie in ihre Maisonettewohnung. Dort sei sie mit ihrem Kind auf dem Arm an einem Türrahmen hängen geblieben, weshalb es eine kleine Beule an der Stirn bekam. Mit einem nassen Waschlappen kühlte sie die Stelle, wickelte das Kind, zog ihm einen Schlafanzug an und legte es in einen Liegesitz. Als sie ins Bad ging, soll es der Vater geholt haben, eine steile Treppe ins Schlafzimmer hinaufgetragen und kurz darauf nach ihr gerufen haben. Das Kind habe eine neue Beule am Kopf gehabt, berichtete sie: „So habe ich sie noch nie schreien gehört.“

Zunächst keine Erklärung

Mit ihrer Mutter und einer anderen Bekannten brachte die 23-Jährige ihr Kind ins Krankenhaus. Dort diagnostizierten die Ärzte die vielen Brüche – und auch, dass das Bein bereits sieben Tage zuvor verletzt worden sein musste. Das Baby wurde von der Böblinger Kinderklinik an die Uniklinik in Tübingen überwiesen, wo es zwei Wochen lang behandelt wurde. Eine Erklärung für die Beule habe sie von ihrem Freund zunächst nicht bekommen, erzählte die junge Mutter. Erst bei einem Gespräch im Krankenhaus mit den Ärzten und einer Sozialarbeiterin äußerte er sich: Er sei auf der Treppe gestolpert, und das Kind sei mit dem Kopf gegen eine Stufenkante gestoßen. Zum Auffangen habe er sie stark gepackt, lautete seine Erklärung für die Rippenbrüche. In einer anderen Version soll er seine Cousins und Cousinen ins Spiel gebracht haben, die mit dem Baby zu grob umgegangen seien, Und am Bein habe er ein Mal stärker gezogen, weil sie ihm beim Wickeln abgerutscht sei.

Zwei Tage zuvor hatte die Hebamme drei kleine blaue Flecken an dem Baby entdeckt. „Es hat aber kein auffälliges Verhalten gezeigt, nicht geschrien und war nicht apathisch“, sagte sie. Die Mutter sei zwar jung gewesen, habe ihre Sache aber gut gemacht, so ihr Eindruck. Dass das Mädchen wenig später so schwer verletzt wurde, nahm die Frau sichtlich mit. Auf den Fotos war der Körper von Hämatomen übersät. Die Großmutter und die Bekannte attestierten beiden Elternteilen ein fürsorgliches Verhalten. „Haben Sie Ihr Kind geschlagen?“, fragte der Richter die 23-Jährige. „Nein, habe ich nicht“, sagte sie. Nach dem Krankenhaus kamen Mutter und Kind in eine Pflegefamilie, danach in eine Mutter-Kind-Einrichtung. Die Ärzte versicherten einer Sozialarbeiterin vom Jugendamt, dass sie nichts Negatives über die junge Frau sagen könnten. Sie gehe verantwortungs- und liebevoll mit ihrer Tochter um.

Keine bleibende Schäden

Seit mehr als einem Jahr lebt sie in ihrer eigenen Wohnung. „Es geht ihr gut“, sagte sie über ihre Tochter. Ihr Entwicklungsstand sei normal, sie habe keine bleibenden Schäden davongetragen. Alle sechs Monate muss sie die nun Zweieinhalbjährige zu einer Kontrolluntersuchung nach Tübingen bringen. Von dem Vater hat sich die Einzelhandelskauffrau nach sieben Jahren getrennt. Sie habe kein Vertrauen mehr zu ihm, sagte sie der Sozialarbeiterin. Im Sommer vor zwei Jahren legte er seine Gesellenprüfung zum Maler ab. Er sei nervös gewesen und angespannt, erzählte sie, und an dem Abend habe er sich mit einem Nachbarn über die Kehrwoche gestritten. Am Mittwoch, 29. Januar, kommt der ärztliche Gutachter zu Wort.