Ein 44-Jähriger, der zwei 13 und 14 Jahre alte Mädchen betrunken gemacht hat, wird wegen Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Er hat sie mit Sprüchen wie „Trinken, sonst küssen“ dazu gebracht, Wodka zu trinken.
Kirchheim - Der 44-jährige Angeklagte gibt vor dem Amtsgericht Kirchheim zu, am Abend des 7. September vergangenen Jahres zwei Mädchen – 13 und 14 Jahre alt – in seiner Kirchheimer Wohnung mit Wodka-Red Bull regelrecht abgefüllt zu haben. „Ich hätte das nicht tun sollen“, entschuldigt er sich, um dann sogleich einzuschränken, „auch wenn sie den Alkohol freiwillig getrunken haben“. Er gesteht, einen „großen Fehler“ begangen zu haben, relativiert dies aber damit, die Kinder hätten ihn darum gebeten, „das zu trinken“ und er habe ihnen mit der Beschaffung der Spirituosen „einen Gefallen tun“ wollen.
Nun, einen Gefallen hat er den Minderjährigen damit sicher nicht getan. Denn laut der Anklage wurde eine von ihnen später mit einer Alkoholvergiftung in ein Krankenhaus eingeliefert. Bei ihr wurde ein Blutalkoholgehalt von knapp einem Promille festgestellt. Auch ihre Freundin war stark betrunken. Der Angeklagte räumt ein, mit der Situation völlig überfordert gewesen zu sein. Das Mädchen, das sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte und sich heftig erbrechen musste, brachte er zunächst von seiner Wohnung in ein Besprechungszimmer in dem Unternehmen, für das er in einer leitenden Funktion arbeitet. Dort wurde es später von der durch die Freundin informierten Mutter abgeholt und ins Krankenhaus gebracht.
„Ich liebe dich, Schatz“ per SMS
Darauf, dass er die Mädchen der Anklageschrift zufolge mit den Worten „trinken, sonst küssen“ zum Wodkakonsum aufgefordert hat, geht der Angeklagte nicht ein. Doch passt dies zu der längeren Vorgeschichte jenes Abends, die bei der Vorsitzenden Richterin Franziska Hermle „mehr als nur eine angehobene Augenbraue“ auslöst. Schon im März 2012 hatten die beiden Mädchen an einem der Castings für die Modenschauen teilgenommen, die der 44-Jährige regelmäßig für sein Unternehmen veranstaltet. Daraus sei ein „vertrauter Kontakt“ via Facebook und per SMS entstanden, erklärt der Angeklagte, der offenbar kaum Hemmungen hatte, auf die Avancen der Mädchen einzugehen.
Wie vertraut der Kontakt war, erwähnt der 44-Jährige, der am Wochenende mit seiner Lebensgefährtin und der gemeinsamen vierjährigen Tochter in der Nähe von Berlin zusammenlebt, nicht. Doch die Richterin hilft ihm auf die Sprünge. „Ich liebe Dich, Schatz“ und „Machst Du beim Flaschendrehen alles mit mir?“ sind nur zwei der Nachrichten, die der 44-Jährige den Mädchen hat zukommen lassen. Für Franziska Hermle ist das ein deutlicher Beleg dafür, dass der Kontakt „in eine sexuelle und gefühlsmäßige Richtung gezielt hat – und das mit 13 und 14 Jahre alten Mädchen“. Denen bleibt nach einem Rechtsgespräch, in dem sich die Richterin, die Staatsanwältin und der Verteidiger auf den Straftatbestand der Körperverletzung einigen, die Aussage erspart. Auch weitere Zeugen müssen nicht mehr gehört werden.
Der Verteidiger fordert Freispruch
Der Verteidiger des Mannes betont in seinem Plädoyer, es sei nicht zu einem sexuellen Übergriff gekommen. Er sei deshalb der Ansicht, sein Mandant müsse freigesprochen werden. Denn Mädchen in diesem Alter wüssten um die Folgen von Alkoholkonsum. Der 44-Jährige habe wohl eine gesellschaftliche, nicht aber eine strafrechtliche Grenze überschritten.
Die Staatsanwältin und die Richterin sind anderer Ansicht. Wer Mädchen harten Alkohol anbiete und sie mit den Worten „trinken oder küssen“ zum Konsum auffordere, „den trifft die Verantwortlichkeit“, sagt Hermle bei der Urteilsbegründung. Sie frage sich, wie ein Erwachsener „überhaupt auf eine solche Idee kommen“ könne. Sie verurteilt den Mann wegen Körperverletzung in zwei Fällen zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Dies sei angemessen, aber auch erforderlich, „um ein deutliches Signal zu setzen, dass ein solches Verhalten nicht tolerabel ist“. Außerdem muss der 44-Jährige 4500 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen und sich bei dem Verein Kompass, einer psychologischen Fachberatungsstelle bei sexualisierter Gewalt, melden. Dort habe er sich einer Beratung zu stellen, die sich seiner „gewissen Neigungen“ annehme, so Hermle.