Das Amtsgericht Ludwigsburg hat einen 56-Jährigen zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er seine Waffen nicht ordnungsgemäß verwahrt hatte. Festgestellt hatte das ein Spezialeinsatzkommando der Polizei – bei der Stürmung seiner Wohnung.

Ludwigsburg – Es ist ein ganz normaler Freitagabend – eigentlich. Der 56-jährige Herbert W. (Name geändert) ist zusammen mit seiner Frau zu Hause. Doch plötzlich hört das Ehepaar eigenartige Geräusche. Es klingt, als ob sich Einbrecher zunächst an der Haus- und dann an der Wohnungstür zu schaffen machen. Herbert W. gerät in Panik. Für ihn ist klar, dass ihm jemand an den Kragen will. Deshalb schnappt er sich seine Pistole, die er aus purem Zufall kurz zuvor gereinigt hat und die deshalb neben ihm auf dem Sofa liegt, und bezieht im Flur Stellung. Kurz darauf stürmt ein Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei die Wohnung. Herbert W. wird überwältigt und gefesselt, die Wohnung wird durchsucht, seine Frau vernommen – er selbst hat keine Ahnung, warum.

 

Verworrene Vorfälle führten zur Anklage

Das ist Herbert W.’s Sicht auf die überaus verworrenen Vorfälle vom Februar des vergangenen Jahres. Diese führten dazu, dass sich der 56-jährige Gerlinger am Montag vor dem Amtsgericht Ludwigsburg verantworten musste. Dort wurde ihm vorgeworfen, gegen das Waffengesetz verstoßen zu haben. Denn bei dem SEK-Einsatz war entdeckt worden, dass er seinen Revolver nicht ordnungsgemäß aufbewahrte – das ist strafbar. Dieser war zwar in einem Waffentresor im Wohnzimmer eingeschlossen, doch die Ehefrau des Angeklagten kannte den Zahlencode zum Öffnen des Safes. Damit hatte sie theoretisch Zugriff auf die Waffe, eine Erlaubnis zu deren Nutzung besitzt sie jedoch nicht.

Als Ordnungswidrigkeit wurde dem Mann zudem angelastet, seine Pistole durchgeladen und griffbereit auf dem Sofa liegen gehabt zu haben, als die Sondereinheit der Polizei ins Haus eindrang. Herbert W. wurde deshalb zu einer Geldstrafe von 35 Tagessätzen zu je zehn Euro verurteilt. Der Betrag wurde relativ niedrig angesetzt, weil W. arbeitslos ist und hohe Schulden hat. Zudem werden seine Waffen eingezogen, seine Erlaubnis zum Besitz derselben musste er bereits abgeben.

Das Gericht glaubt dem Angeklagten nicht

Das Gericht machte mit seiner Entscheidung deutlich, dass es den Ausführungen des Angeklagten keinen Glauben schenkte. Denn der 56-Jährige hatte eine ganz eigene Version der Geschichte präsentiert. So behauptete er, sowohl seinen Revolver als auch seine Pistole stets nach Vorschrift verwahrt und zudem gar nicht gewusst zu haben, dass er noch Munition besaß: Seine Waffen habe er schließlich 25 Jahre lang gar nicht mehr benutzt.

Just zwei Tage vor dem SEK-Einsatz habe er jedoch aus heiterem Himmel alte Munition gefunden. Daraufhin habe er beschlossen, die Waffen samt Munition zu verkaufen – schließlich habe er Geldprobleme gehabt. Aus diesem Anlass habe er die Waffen geputzt und auf ihre Funktionstüchtigkeit geprüft. Nur deshalb sei die Pistole durchgeladen und die Munition im Schlafzimmerschrank deponiert gewesen.

Allerdings wirft der Grund für den SEK-Einsatz ein anderes Licht auf die Sache. Dieser war nämlich veranlasst worden, weil die Ehefrau von Herbert W. per E-Mail eine Art Hilferuf an den Bürgermeister von Neuhausen im Enzkreis gesandt hatte, wo das Ehepaar einst lebte und noch heute zwei Wohnungen besitzt. In der Nachricht hatte die Frau offenbar die Befürchtung geäußert, ihr Mann könne angesichts massiver Probleme mit dem Mieter dieser Wohnungen „Amok laufen“ – immerhin besitze er zwei Waffen. Der Bürgermeister leitete die Mail umgehend an die Polizei weiter, und diese wiederum veranlasste den Einsatz des SEK.

Angeklagter sieht sich zu Unrecht verfolgt

Letzteren bezeichnete der Angeklagte vor Gericht wiederholt als „völlig illegitimen Angriff“ auf seine Grundrechte. „Ich bin mir keiner Schuld bewusst“, sagte er. Deshalb legte er bereits Widerspruch gegen den Einsatz ein – das Oberlandesgericht Stuttgart lehnte diesen jedoch ab. Gegen das Urteil des Amtsgerichts will Herbert W. Berufung einlegen. Sein Verteidiger hatte auf Freispruch plädiert. Er hatte erklärt, die Erläuterungen seines Mandanten seien glaubhaft gewesen. Im Übrigen sei der Mieter, den Herbert W. laut seiner Frau eventuell angreifen wollte, zu jenem Zeitpunkt im Ausland – also in Sicherheit – gewesen. Die Aktion des SEK sei also in der Tat „völlig überzogen“ gewesen.

Die Waffenkontrollen nehmen zu

Der Amoklauf in Winnenden 2009 hat auch die Arbeit der Waffenbehörde im Ludwigsburger Landratsamt verändert. Unter anderem darf diese aufgrund einer Novellierung des Waffengesetzes inzwischen ganz ohne Verdacht die Aufbewahrung von Waffen kontrollieren – und tut dies auch immer häufiger. Wurden 2010 noch rund 80 Kontrollen im Kreis durchgeführt, waren es in den zwei Folgejahren schon jeweils fast 620. Im April 2013 wurden eigens zwei Mitarbeiter eingestellt, die nun regelmäßig kontrollieren – seither in fast 1700 Fällen. Die Maßnahme scheint zu fruchten, zumindest sank die Zahl der Beanstandungen drastisch: von 50 Prozent im Jahr 2010 auf heute 15 Prozent.

Derweil sinkt auch die Zahl der Waffen im Kreis stetig. So wurden in Ludwigsburg seit dem Amoklauf fast 1500 Pistolen, Revolver und Flinten zurückgegeben, in Bietigheim-Bissingen 1400, in Vaihingen/Enz fast 1000, in Kornwestheim und Remseck jeweils fast 400 und in Ditzingen rund 350. In allen anderen Kommunen im Kreis zusammen gibt es heute noch knapp 2500 Waffenbesitzer – 2009 waren es noch 5200. Die Gebühren für eine Waffenbesitzkarte liegen in den Großen Kreisstädten derzeit meist bei um die 50 Euro.