Was passiert im Amtsgericht? 19 Mädchen und Jungen zwischen 6 und 12 wollen das wissen. In der Sommerschule dürfen sie hinter die Kulissen der Justiz blicken.
Noch wirken die Sommerschüler schüchtern. Doch schnell gehen viele Finger hoch und die Fragen sprudeln nur so aus ihnen raus: „Was schleppt ihr alles mit Euch rum“, fragt ein Junge. Die Wachtmeister Michael Knapp und sein Kollege Jochen Renz packen aus: Knapp zieht Handschließen und ein Pfefferspray aus seinen Taschen. Sein Kollege zeigt seinen Schlagstock. „Und wie oft benutzt ihr den Schlagstock?“ will es Elias (8) ganz genau wissen. In 20 Jahren habe er weder Schlagstock noch Pfefferspray einsetzten müssen, sagt Wachtmeister Knapp und stellt fest, dass der Einsatz von beidem das allerletzte Mittel zur Verteidigung sei, falls er oder einer seiner Kolleginnen oder Kollegen von jemandem angegriffen werden. Knapp: „Wir versuchen, die Leute immer erst durch Reden zur Vernunft zu bringen .“ „Und warum tragt ihr eine Schutzweste wie Polizisten, habt aber keine Pistole?“, will ein anderer Junge wissen. Renz: Die Schutzweste sei nur eine Vorsichtsmaßnahme zur eigenen Sicherheit. Und falls der Gebrauch von Schusswaffen nötig wäre, sei die Polizei schnell zur Stelle. Die sei per Funkgerät, das zur Ausrüstung gehört, ruckzuck alarmiert.
Täterin wird zum Verschenken von Schokolade verurteilt
Die Sommerschule unter dem Motto „Schlaufuchs-Woche“ ist ein Projekt der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Leiterin Stefanie Jebram hat ein buntes Programm für die Kinder zusammengestellt, bei dem sie unter anderem die Feuerwehr und das Training der DRK-Rettungshunde besuchen, bei einem Theaterworkshop mitmachen und selbst ein Schauspiel schreiben und aufführen. An diesem Tag steht in Kooperation mit Prävent-Sozial der Vormittag im Amtsgericht Stuttgart auf dem Stundenplan der Sommerschüler. Der Verein Prävent-Sozial begleitet Zeugen, Opfer oder Opfern nahe stehende Menschen einer Straftat von der Anzeige bis zur rechtskräftigen Verurteilung eines Täters.
Das Highlight für die Schülergruppe war an diesem Vormittag die Festnahme einer Frau (gespielt von der Justizbeamtin Anja Süß), die eine Schusswaffe ins Amtsgericht eingeschleust hat, verhaftet und dem Richter vorgeführt wurde. Als Zuschauer des Verfahrens durften die Kinder im Verhandlungssaal 1 des Amtsgerichts Platz nehmen. Bevor das Verfahren eröffnet wird, gibt’s Benimmregeln: „Ihr müsst immer aufstehen, wenn die Richter den Saal betreten“, sagt Renz und führt die ungeständige Angeklagte in Handschließen dem Richter vor. Der eröffnet um 11.25 Uhr „die Strafsitzung gegen Anja Süß“. Spontan meldet sich Elias in den Zeugenstand. Er hat alles genau gesehen. „Der Angeklagten kann die Waffe von niemand anderem untergeschoben worden sein. Ich war die ganze Zeit hinter ihr“, versichert der Achtjährige. Zu seiner Verblüffung fragt ihn der Richter, ob er der Angeklagten die Waffe untergejubelt hat. Elias fängt sich schnell wieder. Er wird als glaubwürdig aus dem Zeugenstand entlassen. Und die Angeklagte zu einer Haftstrafe verurteilt und dazu, den Kindern Schokolade zu schenken. Dann wird sie in die Arrestzelle im Untergeschoss des Gerichts verbracht. Die Fragen der Kinder an den Richter: „Was war die härteste Strafe die sie verhängt haben? „Der Richter: „Zwei Jahre Haft für mehrere Anklagepunkte.“