So viele Jugendliche wie an diesem Mittwoch sieht man selten vor dem Amtsgericht. Weil sein Fahrer nach der geplatzten Stuttgarter Autogrammstunde eine rote Ampel überfahren hatte, musste der Rapper Kurdo als Zeuge aussagen.

Stuttgart - Es könnte im einen oder anderen Teenagerzimmer der Stadt bald ein wenig unangenehm riechen. Der Grund: junge Mädchen haben am Mittwoch im Stuttgarter Amtsgericht das Erscheinen des Rappers Kurdo genutzt, um sich ein Autogramm des Heidelbergers zu holen – auf die Haut, sodass wohl das Duschen trotz der Hitze ausfallen dürfte. Den Auftritt hatten sie auf der Facebookseite ihres Stars angekündigt gefunden: „Bin morgen um 15 Uhr im Stuttgarter Amtsgericht. Mal schauen, ob wir doch Führerscheine kaufen müssen“, schrieb er dort.

 

Kurdo und sein Aufpasser waren in der Stadt, weil seine im Januar im Milaneo geplatzte Autogrammstunde ein juristisches Nachspiel hatte. Der Tross des Musikers wurde erwischt, als die drei Fahrzeuge nach der Absage des Auftritts im Einkaufszentrum an der Wolframstraße trotz Rot zeigender Ampel losfuhren. Dafür schickte die Stadt Stuttgart einen Bußgeldbescheid über 220 Euro, außerdem dräute dem 31-Jährigen ein vierwöchiges Fahrverbot.

Kurdos Tross hatte Angst vor verärgerten Fans

„Es bestand Gefahr für Leib und Leben“, ließ der Fahrer und Bodyguard seinen Anwalt verlesen. Deswegen habe er nach vorsichtigem Umsehen beschlossen, trotz roter Ampel loszufahren. Die Gefahrenquelle: „Menschenmassen“, die aus dem Milaneo kamen und das Auto mit ihrem Idol bemerkt hatten. Wer die Traube von etwa 50 Teenagern – ein paar begleitet von Papi und Mami – vorm Saal 2 des Amtsgerichts am Mittwoch erlebte, konnte die Lage in etwa nachvollziehen. Man habe „Angst vor Kratzern im Lack“ gehabt, und davor, dass Fans die Autotüre aufreißen würden. „Kann man die nicht verriegeln?“ fragte die Richterin. So gut kenne er sich mit der Technik des Porsche Panamera nicht aus, so der Anwalt.

Der Tross raste also davon. Das ganze spielte sich vor den Augen eines Autofahrers ab, der wusste, dass das nicht ganz in Ordnung war: Im Wagen direkt neben dem Panamera, der an der Spitze des Trosses fuhr, saß ein Polizeioberkommissar auf dem Heimweg vom Dienst. Die Ampel sei schon richtig lange rot gewesen, als die drei Fahrzeuge starteten. Der Porschefahrer habe sich zuvor über die Haltelinie vorgetastet. Dass das Anfahren mit quietschenden Reifen geschehen sei, stellte der Verteidiger in Frage. In diesem Punkt glänzte er mit Wissen über die Technik: Der Porsche verfüge über eine Anlaufschlupfregelung, könne also nicht gequietscht haben.

Verfahren endet glimpflich für den Fahrer

Gequietscht wurde hingegen am Mittwoch viel auf den Fluren des Amtsgerichts, als Kurdo in den Zeugenstand gerufen wurde. Er könne sich an die Situation nicht so genau erinnern: „Ich weiß doch kaum noch, was ich vor zehn Minuten gemacht hab, wie soll ich dann noch wissen, was vor einem halben Jahr war?“ fragte er die Richterin. Eins wusste er dann doch noch: „Wir waren alle nervös.“ Dass eine Menge auf die Autos zugekommen sei, das fiel ihm dann doch ein. „Ob die auf mich sauer waren oder auf den Veranstalter, weiß ich aber nicht.“

Am Ende ging das Verfahren für den Fahrer glimpflich zu Ende: Johnny M., der einräumte, bei Rot gefahren zu sein, muss nur 90 Euro zahlen und darf seinen Führerschein behalten. Zwar hätten die Zeugenaussagen ergeben, dass die Ampel höchstwahrscheinlich schon länger als eine Sekunde lang rot gewesen sei. Jedoch müsse man die Situation berücksichtigen: Der Fanpulk habe den Tross bedroht. Aufgrund dieser Lage wertete die Richterin den Verstoß nicht als so schwerwiegend. Bei Gefahren dürfe man gewisse Verkehrsregeln übertreten, erklärte der Anwalt am Rande der Verhandlung: Die rettende Rotlichtfahrt des Rappers sei ähnlich zu sehen wie ein Geschwindigkeitsverstoß eines Autos, indem ein werdender Vater eine schwangere Frau mit Wehen ins Krankenhaus bringt.