Ein 50-jähriger Polizist wird wegen Strafvereitelung im Amt zu einer Gefängnisstrafe auf Bewährung verurteilt. Er hatte in Diensten des Fellbacher Reviers mehrere Akten, die für die Staatsanwaltschaft bestimmt gewesen wären, nicht weitergereicht. Warum er das tat, konnte der Prozess nicht klären.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Waiblingen - Weil er Akten, die zur Prüfung einer Strafverfolgung für die Staatsanwaltschaft bestimmt gewesen wären, nicht weitergereicht hat, ist ein 50-jähriger Polizeioberkommissar vom Waiblinger Amtsgericht zu einer Gefängnisstrafe von acht Monaten und zwei Wochen auf Bewährung verurteilt worden. Damit blieb das Gericht unter dem Vorsitz von Daniela Bidell knapp unter jener Strafmaßgrenze von einem Jahr, die für den Beamten automatisch das Ende seiner Karriere als Ordnungshüter bedeutet hätte.

 

Von den ursprünglich insgesamt sechs Anklagepunkten wertete das Gericht letztlich zwei Fälle als Strafvereitelung im Amt. Am Ende ließ der über zwei Tage geführte Prozess indes Fragen offen, besonders die nach dem Motiv.

Staatsanwältin vermutet Überforderung

Die Staatsanwältin, die eine härtere Strafe gefordert hatte, vermutet, dass der seinerzeit als stellvertretende Schichtleiter im Fellbacher Revier durchaus in einer verantwortlichen Position eingesetzte Polizeioberkommissar mit seinen Aufgaben überfordert war. Fakt ist, dass sich in einem großen Stapel an Aktenkopien, die der Mann in seinem gemeinsam mit einem Kollegen genutzten Spind aufbewahrte, auch Originale von Fällen befanden, die im Polizeicomputer als erledigt und weitergeleitet an die Staatsanwaltschaft markiert waren.

Das lose „Privatarchiv“ war per Zufall entdeckt worden, als der Schrank vor zwei Jahren ausgeräumt werden sollte, weil der 50-Jährige in eine andere Dienststelle versetzt worden war. Ein Kollege war stutzig geworden, als er beim Vernichten der Aktenkopien auch auf Originalunterlagen der Spurensicherung stieß, und hatte den Vorfall an seinen Vorgesetzten gemeldet.

Rund 1100 Aktenbestandteile gefunden

Beim Durchforsten der immer noch rund 1100 Aktenbestandteile – überwiegend Unterlagen zu vergleichsweise harmlosen Unfällen, die laut Aussagen eines Zeugen rund acht Leitz-Ordner gefüllt hätten – waren dann offenbar auch die internen Ermittler überfordert. Man habe sich beim Sichten auf jene Fälle konzentriert, bei denen ein Verstoß gegen die Aufbewahrungsfristen nicht schon verjährt gewesen wäre, sagte ein Polizeihauptkommissar im Zeugenstand aus. Vieles sei nur noch schwer nachvollziehbar gewesen. 35 Fälle hätten sich indes als auffällig gezeigt.

Letztlich blieb es bei sechs Anklagepunkten, bei denen aber auch der Prozess kaum Aufschluss darüber geben konnte, warum der Angeklagte so gehandelt hat. So markierte er beispielsweise eine Unfallflucht als intern abgearbeitet, nachdem sich das Unfallopfer und der Verursacher gütlich geeinigt hatten. Oder er legte den Fall gegenseitiger Körperverletzungen eines Paares ad acta – respektive ließ die Papiere dazu in dem Schrank verschwinden.

Am schwersten wog für die Richterin in ihrem Urteil, dass ein Mann nicht angezeigt worden war, der mit dem Auto einer Bekannten, das er sich heimlich angeeignet hatte, einen Unfall gebaut hatte und geflüchtet war. Die Frau hatte den Polizisten darum gebeten, nachträglich ihr Einverständnis mit der Autofahrt zu Protokoll zu geben, weil ihrem Bekannten wegen zahlreicher Vorstrafen ansonsten drastische Repressalien gedroht hätten. Am wenigsten verständlich indes ist, warum der Angeklagte vor zwei Jahren in seiner neuen Funktion als Notrufsachbearbeiter einen offenkundigen telefonischen Täterhinweis zu einem Raubüberfall abgeblockt, seinen aktuell fahndenden Kollegen verschwiegen und im Protokoll als „Auskunft“ vermerkt hatte. Jener Hinweis stellte sich im Nachhinein als richtig heraus.