Amtsgericht Waiblingen Falsches Alibi für Angeklagte?
Eine Rangelei in Alfdorf endete mit einer gebrochenen Nase und einer tiefen Schnittwunde, nun wird verhandelt. Doch es steht Aussage gegen Aussage.
Eine Rangelei in Alfdorf endete mit einer gebrochenen Nase und einer tiefen Schnittwunde, nun wird verhandelt. Doch es steht Aussage gegen Aussage.
In den vergangenen Jahren eskalieren Auseinandersetzungen zwischen jugendlichen Gruppen im Kreis immer häufiger so, dass am Ende einer Gewalt anwendet – und ein anderer ernsthaft verletzt ist. Der Anlass ist dabei meistens nicht mehr nachvollziehbar. Ein solcher Fall ist nun am Amtsgericht Waiblingen gelandet.
Die 19 und 23 Jahre alten Angeklagten, die beide in Schorndorf wohnen, sollen nach einer durchzechten Samstagnacht im März 2021 an einer Bushaltestelle am Alfdorfer Marktplatz parallel auf zwei junge Männer einer anderen Gruppe losgegangen sein. Der eine soll seinem Kontrahenten unvermittelt ins Gesicht geschlagen und ihm dabei die Nase gebrochen, der andere mit dem Messer zugestochen haben. Weil das Opfer den Stich mit der Hand abwehrte, traf das Messer nicht wie offenbar beabsichtigt den Bauch, sondern hinterließ stattdessen eine zehn Zentimeter lange klaffende Wunde an der Hand. Die Staatsanwaltschaft hält den Schlag für eine vorsätzliche und den Stich für eine gefährliche Körperverletzung.
Die Angeklagten äußerten sich allerdings nicht zur Tat. Und für jeden der Angeklagten sagte jeweils ein Zeuge oder eine Zeugin aus, dass er sich zum fraglichen Zeitpunkt – nämlich am 13. März morgens zwischen 3 und 4 Uhr – nicht auf dem Alfdorfer Marktplatz, sondern woanders befunden habe.
Richter Martin Luippold und die Schöffen Christian Fischer und Susanne Schebel nahmen sich deshalb viel Zeit, Licht ins Dunkel zu bringen und die Geschehnisse jener Nacht so gründlich wie möglich zu rekonstruieren. Sowohl der 19-jährige Alfdorfer Metallbauer, der Opfer des Stichs geworden ist, als auch der gleichaltrige Altenpflegehelfer, dem die Nase gebrochen wurde, wollen in den beiden, die auf der Anklagebank saßen, zweifelsfrei ihre Widersacher aus jener Nacht erkannt haben. Beide schilderten, dass sie mit zwei Freunden zunächst am Leinecksee etwas getrunken hätten, später am Schlossgarten. „Als die anderen dann auch kamen, gab es Streit“, sagte der Metallbauer. Allerdings sei es da noch nicht zu den Handgreiflichkeiten gekommen. Er habe lediglich gesagt: „Mach mal Licht an, ich will sehen, wer da kommt.“ Die Antwort aus der anderen Gruppe lautete: „Halts Maul.“ Er erwiderte: „Halt selber das Maul.“ Dann habe man sich zur Bushaltestelle begeben, wo man das letzte Bier trinken wollte. Betrunken seien sie da aber schon nicht mehr gewesen, sagte der Metallbauer.
Als sich die beiden Gruppen wenig später am Marktplatz erneut begegneten, habe der ältere der beiden Angeklagten – ein 23-jähriger Lagerarbeiter – ihn zunächst am Arm gepackt und zur Seite genommen. Er habe gedacht, der andere wolle reden. Dann aber habe der andere ohne Vorwarnung zugestochen. Bilder aus der Notaufnahme des Mutlanger Krankenhauses zeigen eine tief klaffende Wunde, die über die halbe Handinnenseite genäht werden musste. Seit dem Stich würde seine Hand ununterbrochen kribbeln, wie wenn sie eingeschlafen wäre, sagte der 19-jährige Azubi, der elf Wochen lang krank geschrieben war nach dem Vorfall. Inzwischen könne er aber wieder ganz normal zugreifen. Sein Freund musste an jenem Sonntag von Mutlangen nach Stuttgart ins Marienhospital, um sich unter Vollnarkose die Nase richten zu lassen. Drei weitere Freunde der Opfer schilderten die Nacht ähnlich. Den Anblick der Blutlache werde er so schnell nicht vergessen, sagte einer von ihnen.
Glaubt man allerdings der Aussage einer 17-jährigen Freundin der beiden Angeklagten, dann hat sich der jüngere der beiden angeblich die ganze Nacht bei ihr aufgehalten. Daran könne sie sich genau erinnern, weil am nächsten Tag die Polizei gekommen sei, um sie zu befragen. Und ein 17-jähriger Schorndorfer sagte aus, er habe mit dem Älteren der beiden in dessen Wohnung gespielt und geredet. Verteidigerin Lisanne Bühler will aufgrund der Widersprüche auf den zehnten Zeugen nicht verzichten – er ist zurzeit im Urlaub. Anders als ursprünglich geplant, wird die Verhandlung deshalb fortgesetzt. Ein Urteil könnte am 30. September fallen.