Viele Kabelkunden empfangen immer noch analoges Fernsehen. Wer auf Digital-TV umsteigt, erspart sich Ärger, denn mancher Netzbetreiber speist nicht alle Sender im alten Format ein.

Stuttgart - Der Vergleich ist nicht übertrieben: Wer sein Fernsehbild bislang analog empfangen hat und geradewegs auf hochauflösendes Fernsehen (HDTV) umsteigt, erlebt einen ähnlich verblüffenden Effekt wie vor Jahrzehnten beim Wechsel von Schwarzweiß zu Farbe. Kristallklare Bilder, die winzigste Details erkennbar machen, erlauben ein völlig neues Seh-Erlebnis. Für die meisten Zuschauer ist das allerdings längst ein alter Hut, manche sind mit Ultra-HD sogar schon einen Schritt weiter.

 

Trotzdem ist die Anzahl der Haushalte, die ein analoges Signal empfangen, immer noch überraschend hoch. Eigentlich dürfte es sie gar nicht mehr geben, denn offiziell ist die Analogausstrahlung der deutschen TV-Sender längst beendet. Ausgerechnet die viel gescholtenen Kabelnetzbetreiber ermöglichen ihren Kunden jedoch, auch weiterhin im Fernsehempfang des letzten Jahrhunderts zu verharren, weil sie beide Signale verbreiten. Demnächst werden die aktuellen Empfangszahlen veröffentlicht, und man kann davon ausgehen, dass die Zahl der analogen Kabelhaushalte weiter zurückgegangen ist – 2014 waren es immerhin noch über 30 Prozent.

Kika und Arte teilen sich einen Sendeplatz

Natürlich muss jeder selber wissen, welche Bildqualität sein TV-Programm haben soll. Neben der ungleich besseren Optik hat die digitale Verbreitung auch den Vorteil, deutlich weniger Platz im Kabel zu verbrauchen; deshalb lassen sich dank der digitalen Kompression ungleich mehr Programme empfangen. Das wird vielen egal sein, weil sich ihr Fernsehkonsum ohnehin auf das öffentlich-rechtliche Angebot und gelegentliche Abstecher zu RTL oder Sat 1 beschränkt. Tatsächlich würde es den meisten Zuschauern vermutlich nicht auffallen, wenn es viele Kleinstsender nicht mehr geben würde. Die analogen Unitymedia-Haushalte erleben jedoch seit einigen Wochen einen Rückfall in die neunziger Jahre, als im TV-Kabel nicht mehr genug Platz für alle war und die Sender daher partagiert werden mussten, wie das in der Fachsprache heißt. Auf gut deutsch: jeweils zwei Programme teilen sich einen Kanal. Bei Kika (6 bis 20 Uhr) und Arte (20 bis 6 Uhr) ist die Aufteilung noch halbwegs vernünftig, der Kinderkanal sendet ohnehin nur bis 21 Uhr. Die zweite Partagierung betrifft Phoenix (5 bis 17 Uhr) und 3Sat (17 bis 5 Uhr).

Zu den Gründen für diese Zusammenlegung macht Unitymedia keine Angaben. Die Maßnahme betrifft das gesamte Verbreitungsgebiet des Netzbetreibers, also Kabelhaushalte in Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Statt dessen versichert ein Sprecher des zum Weltkonzern Liberty Global gehörenden Unternehmens, „die Reduktion der zeitlichen Verfügbarkeit in der analogen Verbreitung“ stehe „in keinem Widerspruch zu den Vorgaben der Landesmediengesetze“. Darin ist festgelegt, welche Programme ein Betreiber zwingend anbieten muss („Must Carry“). Dazu zählen unter anderem die wichtigsten öffentlich-rechtlichen Vollprogramme, also ARD, ZDF, das regionale dritte Programm sowie die Sparten- und Kulturkanäle Kika, 3Sat, Arte und Phoenix. Früher haben die Sender die Kabelnetzbetreiber für diese Einspeisung bezahlt; das hat sie insgesamt 60 Millionen Euro pro Jahr gekostet. Im Zuge des allgemeinen Sparzwangs haben sie diese Zahlungen Ende 2012 eingestellt, unter anderem mit der Begründung, dass die Netzbetreiber ja ohnehin verpflichtet seien, die Programme einzuspeisen.

Streit um Einspeiseverträge

Seither herrscht zwischen beiden Seiten eine Stimmung, die man getrost als feindselig bezeichnen kann. Die Netzbetreiber revanchieren sich und ärgern ARD und ZDF, wo sie nur können, indem sie zum Beispiel scheinbar willkürlich Programme wie etwa die ortsfremden Dritten verschwinden lassen und durch Teleshoppingangebote ersetzen. Treuherzig beteuert der Unitymedia-Sprecher, man habe den betroffenen Sendern Einspeiseverträge „auf Basis unserer für alle Sender geltenden Standardkonditionen angeboten“, aber die Programmveranstalter hätten „wiederholt jede Form von Verhandlungen über entgeltliche Einspeiseverträge abgelehnt.“ Das lässt sich gut nachvollziehen, denn andernfalls hätten sie ja zahlen müssen.

Leidtragende sind am Ende ohnehin die Kabelkunden, aber eben nur, wenn sie ihr TV-Programm noch analog empfangen. Im digitalen Bereich sind die Kabelnetzbetreiber verpflichtet, sämtliche öffentlich-rechtlichen Sender anbieten, also auch alle dritten Programme.

Je nach Alter des Apparats braucht man beim Umstieg ins digitale Zeitalter nicht mal einen neuen Fernseher, sondern nur einen Digitalreceiver, der die Signale umwandelt. In modernen Geräten ist dieser Empfänger in der Regel bereits integriert. Ansonsten fallen keine zusätzlichen Kosten an, denn die Kabelgebühr bleibt die gleiche. Programme wie ARD, ZDF und 3Sat gibt es nach einem Sendersuchlauf sogar in HD – für ein ganz neues Seh-Erlebnis.