Barack Obama kann seine Anhänger erneut mobilisieren – vor allem die Afroamerikaner und Latinos. Doch profitiert der Amtsinhaber auch von vielen Fehlern der Republikaner.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Washington - Florida hinkt wieder einmal hinterher. Auch am Morgen nach der Wahl ist nicht ganz klar, wer den wichtigen Bundesstaat mit seinen 29 Wahlmännerstimmen gewonnen hat – zu dicht liegen Barack Obama und Mitt Romney beieinander. Doch diesmal machte das den Demokraten – anders als 2000 – nichts aus. Obama hat auch ohne Florida mit 303 weit mehr als die für eine Wiederwahl notwendigen 270 Wahlmännerstimmen.

 

Trotz einer sehr engen Wahl ist es Romney im Vergleich zu 2008 lediglich gelungen, den Demokraten die zwei Staaten Indiana und North Carolina zu entreißen – das sind aber traditionelle Bastionen der Republikaner. In North Carolina ist der Vorsprung deutlich knapper als erhofft.

Obamas Rezept erscheint simpel: Er hat durch eine gewaltige Mobilisierungsaktion in etwa die Wählergruppen an die Wahlurnen gebracht, die ihn schon 2008 unterstützt haben. Die Afroamerikaner etwa standen wieder geschlossen hinter ihm. Hinter einer Unterstützungsquote von 93 Prozent steckt auch ein starkes Engagement schwarzer Kirchen und Organisationen, die trotz einiger Enttäuschungen mit dem Präsidenten die Menschen zur Wahl drängten. Massiv war Obama von den Republikanern – nicht nur in den Augen vieler Schwarzer – teils mit rassistischen Untertönen attackiert worden. Das hat eine weitere Solidarisierung ausgelöst.

Kampf gegen Abtreibung schadet Republikanern

Jungwähler sind zwar nicht so zahlreich wie 2008 in die Wahllokale geströmt, aber der selbst von den Demokraten befürchtete Einbruch der Wahlbeteiligung blieb aus. Dass die Wählerinnen vergleichsweise treu hinter Obama standen, haben sich die Republikaner selbst zuzuschreiben. Viel zu aggressiv haben sie einen Kulturkampf gegen das Recht auf Abtreibung und die Finanzierung von Empfängnisverhütung im Zuge von Obamas Gesundheitsreform geführt. Im Schlüsselstaat Virginia musste das republikanisch dominierte Parlament nach einer Welle öffentlicher Empörung ein Gesetz zurückziehen, das Frauen vor einer Abtreibung zur Ultraschalluntersuchung zwang.

Der bedeutendste Aspekt ist die wachsende Rolle der Latinos. Dies ist die einzige Gruppe, in der Obama die Stimmen im Vergleich zu 2008 noch gesteigert hat. Einerseits ist der Anteil der Latinos an der Bevölkerung gewachsen – andererseits ist den Demokraten eine präzise auf sie zugeschnittene Mobilisierung gelungen.

Sorge vor Restriktionen treibt Frustrierte zur Wahl

Aber auch hier haben sich die Republikaner ins eigene Bein geschossen. Romney hat in den Vorwahlen versucht, seine Rivalen beim Thema Einwanderung rechts zu überholen. Einmal sprach er sogar davon, Illegalen solle das Leben in den USA so schwer gemacht werden, dass sie sich sozusagen selbst deportierten. Das haben ihm die sozial und kulturell eigentlich konservativen spanischstämmigen Menschen nicht verziehen – und Romneys Wahlkampagne hat nie einen ernsthaften Versuch gemacht, dies zu reparieren. Die republikanische Strategie in einigen Staaten war eher, etwa durch strengere Ausweispflichten einigen mit den Demokraten sympathisierenden Bevölkerungsgruppen die Wahlteilnahme zu erschweren. Richter kippten in Bundesstaaten wie Pennsylvania und Florida die meisten dieser Gesetze. Aus Angst vor derlei Auswirkungen gingen die Anhänger der Demokraten aber umso eifriger zur Wahl. Somit scheinen diese letztlich gescheiterten Angriffe auf das Wahlrecht in einer Trotzreaktion auch Menschen an die Wahlurne gebracht zu haben, die aus Frustration über Barack Obama ansonsten vielleicht zu Hause geblieben wären.

Aus Sicht der Republikaner hat die Taktik, durch Gesetzestricks in eine bessere Position zu kommen, lediglich im Repräsentantenhaus funktioniert. Nicht zuletzt wegen passend zugeschnittener Wahlkreise haben sie dort ihre Mehrheit praktisch halten können. Doch das ist nur ein kleiner Trost, denn bei den Wahlen zum Senat erlebten die Republikaner geradezu ein Debakel. Eine der symbolträchtigsten Niederlagen war die Schlappe von Scott Brown, einem republikanischen Senator in Massachusetts, dessen Überraschungstriumph Anfang 2010 in einer Nachwahl Obamas Serie von Wahlniederlagen einleitete. Die Wall-Street-Kritikerin Elizabeth Warren, ein Idol der Linken, schlug Brown nun deutlich. Aber auch zwei Kandidaten in Indiana und Minnesota, die vom radikalen Tea-Party-Flügel der Republikaner durchgedrückt wurden und mit frauenfeindlichen Äußerungen auffielen, verloren ihre Sitze.

Demokraten können Senatsmehrheit ausbauen

Insgesamt können die Demokraten ihre bisherige Senatsmehrheit von 53 Sitzen nicht nur halten, sondern sogar noch ausbauen. Nach einem mit mehreren Milliarden Dollar betriebenen Wahlkampf landen die USA also wieder beim Status quo: Weißes Haus und Senat werden demokratisch, das Repräsentantenhaus republikanisch regiert. Folglich könnten die Republikaner alle Gesetzesvorschläge des Präsidenten weiterhin blockieren.

Vielleicht wären die Wahlkampfmilliarden anders besser angelegt gewesen: Das unterfinanzierte Wahlsystem verursachte trotz niedrigerer Wahlbeteiligung erneut Konfusion und lange Schlangen, die den ganzen Prozess nur deshalb nicht ins Chaos stürzten, weil die Wahlergebnisse klar genug waren. „Es ist eine Schande, dass Menschen stundenlang in Warteschlangen stehen müssen, um ihr Wahlrecht auszuüben“, sagte Barack Obama in seiner Siegesrede.