Der Statistiker Thomas Schwarz sieht einen Wandel im Verhalten der Wähler. Die Parteienlandschaft in Stuttgart wurde 2011 neu definiert.
Stuttgart - Für Thomas Schwarz, Stuttgarts bekanntesten Wahlforscher auf der kommunalen Ebene, gibt es keinen Zweifel: "Immer mehr Bürger treffen ihre Wahlentscheidung kurzfristig. Die feste Bindung an bestimmte Parteien bröckelt, die Stammwählerschaft wird geringer. Das verläuft parallel zum Rückgang der Mitgliedschaften in den Parteien." Diese und andere Erkenntnisse finden sich in der Analyse, die Thomas Schwarz, der Chef des Statistischen Amtes, und seine Mitarbeiter gut zwei Monate nach dem historischen Urnengang jetzt veröffentlicht haben.
Der Wahlforscher, der sich schon seit vielen Jahren mit den langfristigen Trends und Besonderheiten der hiesigen Wahlen und Parteien beschäftigt, vermeidet ganz bewusst jegliche politische Einschätzung oder Kommentierung: "Unsere Analysen stützen sich einerseits auf das reine Ergebnis und die Vergleiche mit den jeweils zurückliegenden Wahlen, andererseits aber auch auf eine eigene Umfrage, die wir am Wahlsonntag vor ausgewählten Wahllokalen vornehmen." Das sei im Übrigen Standard und keineswegs eine Stuttgarter Besonderheit.
Drei entscheidende Faktoren
Folgerichtig verweist Schwarz auf die empirische Wahlforschung und schreibt in seiner Analyse: "Drei Faktoren wirken auf die Entscheidung der Wähler ein: die Identifikation mit einer Partei, die Orientierung in Sachfragen sowie die Orientierung auf die Kandidaten." Gerade in der Mediendemokratie, so betont er, werde die Einschätzung der Kandidaten und ihrer Kompetenz immer bedeutender. So sei es im Rückblick auf die Landtagswahl auffällig, "dass der amtierende Ministerpräsident Stefan Mappus keinen Amtsbonus herausarbeiten konnte".
Schwarz geht sogar noch weiter: "Diese 15.Landtagswahl war ein Lehrbeispiel für den Wandel im Wählerverhalten." Die Stimmenanteile der Parteien schwankten wie noch nie, die Zahl der Wechselwähler stieg weiter an - ein Drittel der Stuttgarter Wähler hätten ihre Entscheidung erst am Wahltag selbst oder nur kurz davor getroffen. Fünfzig Prozent, so habe er herausgefunden, hatten die Zeit für gekommen erachtet, einen Regierungswechsel herbeizuführen. Die Atompolitik sei dabei mit Abstand das zentrale Thema gewesen - Stuttgart 21 erst mit deutlichem Abstand dahinter.