Trotz handfester Agitation gegen den US-Präsidenten kann sich die Wirtschaft mit ihm arrangieren, meint StZ-Korrespondent Andreas Geldner.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Washington - Barack Obama gewinnt die Wahl – und die Börse in den Vereinigten Staaten geht nach unten. Ist das ein schlechtes Omen? Am Ende überwand die Wall Street den Schock und drehte wegen einiger positiver Wirtschaftsdaten zum Wochenschluss ein kleines bisschen ins Plus. Dennoch zeigt der erste Reflex, dass die von den amerikanischen Wählern bestätigte Machtverteilung in Washington die Angst vor einer weiteren politischen Blockade geschürt hat.

 

Schaffen es die Republikaner und Demokraten, eine Serie massiver Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen, die sogenannte fiskalische Klippe in letzter Minute zu vermieden? Diese skeptische Frage richtet sich aber nicht nur an Obama, sondern auch an die Republikaner. Doch Börsianer und Unternehmer in den Vereinigten Staaten sollten nicht nur mahnend den Zeigefinger heben, sondern auch selbstkritisch in sich gehen. Nicht nur als milliardenschwere Spender für die republikanische Partei haben sich viele Wirtschaftsgrößen in dieser Wahl eingemischt. Einige von ihnen haben im Wahlkampf bewusst die ökonomische Lage schlechtgeredet, um einen unbequemen Präsidenten loszuwerden. Obama sollte weg, koste es, was es wolle. Einige Firmen gingen sogar so weit, dass sie ihren Mitarbeitern kurz vor der Wahl einige E-Mails mit drohendem Unterton schickten. Sollte Obama gewinnen, würden Entlassungen bevorstehen. Davon will nach der Wahl niemand mehr etwas wissen. Amerikaner sind Pragmatiker, Geschäftsleute ganz besonders. Und so hat das „Wall Street Journal“ jetzt die Frage gestellt, die nun wirklich alle umtreibt: „Wohin sollten Sie Ihr Geld stecken, nachdem Obama gewonnen hat?“ Die Perspektiven sind gar nicht so schlecht. Während Obamas Präsidentschaft hat sich etwa die Börse hervorragend entwickelt. Das lag unter anderem an einer trotz aller neuen Regularien bankenfreundlichen Politik, für die der mit der Wall Street eng verbandelte Finanzminister Timothy Geithner und der eine lockere Geldpolitik betreibende Notenbankchef Ben Bernanke die Garanten waren.

Die Aussichten sind besser als in Europa

Auch die Autoindustrie konnte sich über den Präsidenten nicht beklagen. Die Baubranche profitierte von niedrigen Zinsen. Und trotz der angeblich strangulierenden Umweltauflagen haben die USA schon lange nicht mehr so viel Öl und Gas gefördert wie jetzt. Einige Branchen blicken der zweiten Amtszeit Obamas sogar sehr zuversichtlich entgegen: Die Gesundheitsindustrie erwartet dank der 2014 in Kraft tretenden Versicherungspflicht Millionen neuer Kunden. Silicon Valley findet in der neuen Regierung sicher ein offenes Ohr. Und die ganze grüne Ökonomie von der Windenergie bis zu den Farmern, die Mais für Biotreibstoffe anbauen, setzt sowieso auf den demokratischen Präsidenten.

Die US-Wirtschaft insgesamt wird sich mit Obama arrangieren, der seinerseits alles Interesse hat, die Entwicklung der Konjunktur nicht abzuwürgen. Ein paar bittere Pillen wird die US-Wirtschaftselite wahrscheinlich zu schlucken haben. Höhere Steuern für die Wohlhabenden im Land sind wohl unvermeidlich. Doch die Vernünftigeren unter den Wirtschaftsvertretern haben dies längst begriffen. Der Versuch, in Gestalt des ehemaligen Finanzinvestors Mitt Romney einen der ihren ins Weiße Haus zu hieven, ist trotz einer hemmungslosen Spendenflut gescheitert. Nun gibt es einen Neustart. Auch die Wirtschaft fordert überparteiliche Kompromisse. Wenn Demokraten und Republikaner tatsächlich kooperieren sollten, stünde einer im Vergleich zu Europa günstigen Wirtschaftsentwicklung nicht mehr viel im Weg.