Die Staats- und Regierungschefs widmeten sich beim EU-Gipfel vor allem einem Problem: Griechenland. Athen kommt trotz und wegen der Hilfe nicht von seinen Schulden herunter. Eine Analyse von Christopher Ziedler.

Eigentlich ist es keine Überraschung, dass die Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel ihr Ziel, die Aufstellung eines Haushalts für die Jahre 2014 bis 2020, nicht erreichten. Dafür nämlich widmeten sie viel zu viel Zeit einem viel drängenderen Problem: Griechenland.

 

Angela Merkel traf sich mit Athens Premier Antonis Samaras, der Anfang Oktober hatte verlauten lassen, sein Land werde ohne Hilfe Ende November zahlungsunfähig sein – also in vier Tagen. Die Kanzlerin attestierte ihm, „die Vorleistungen alle erbracht“ zu haben, damit nun gleich drei aufgelaufene Tranchen ausbezahlt werden können. Auf einen Schlag sollen 45 Milliarden Euro fließen, damit die griechische Regierung wieder Rechnungen begleichen und die lahmende Wirtschaft wieder Kredit bekommen kann. Griechenland hat geliefert – und soll deshalb am heutigen Montag das Ja der Finanzminister und am Donnerstag das des Bundestags bekommen.

Politisch brisant

Die um ein Dreivierteljahr verzögerte Erfüllung heftig umstrittener Bedingungen hat aber die Kalkulationen der Geldgeber derart über den Haufen geworfen, dass sie sich miteinander überworfen haben. Es fehlen 33,6 Milliarden Euro bis 2016. Politisch noch brisanter ist, dass Griechenland trotz und wegen der Hilfe nicht von seinen Schulden herunterkommt. Der Internationale Währungsfonds, einst als Ratgeber von Merkel mit ins Boot geholt, sieht keinen anderen Ausweg für die Euroländer, als auf einen Teil des bereits geliehenen Geldes zu verzichten. Angeblich plädiert dafür inzwischen auch die Europäische Zentralbank. „Wir lehnen diesen Schuldenschnitt ab“, beharrte die Kanzlerin aber auch beim Gipfel, da sie Begehrlichkeiten in anderen Krisenstaaten und Rechtsprobleme daheim befürchtet: „Wir wollen eine andere Lösung finden.“

Ihr Finanzminister geht daher mit drei Maßgaben in die heutige Sitzung der Eurogruppe: Erstens ist eine Einigung Pflicht, da weltweit alle Partner davor warnen, Athens Bankrott zu riskieren. Zweitens soll das Finanzloch nicht mit neuen Krediten, sondern dem Drehen finanztechnischer Stellschrauben wie Zinsen oder Laufzeiten und einem Schuldenrückkaufprogramm gestopft werden – auch wenn die eigenen Experten sagen, damit sei das Programmziel im Jahr 2020 nicht zu erreichen. Drittens soll der IWF trotz dieser Bedenken der Griechenland-Rettung sein innenpolitisch so wichtiges Gütesiegel aufdrücken – und dafür seine eigenen Regeln verbiegen.

Denn darum geht es: Statt eines langfristig glaubwürdigen, da auf zehn Jahre geplanten Programms, wofür der IWF steht, ist jetzt auf Drängen Berlins eine „kleine“ Lösung im Gespräch: Athen soll erst einmal nur bis zum ursprünglich avisierten Programmende 2014 finanziert werden. Die nötigen Mehrkosten von 15 Milliarden Euro gelten als beherrschbar.

„Opfer bringen, für den Zusammenhalt Europas“

In den vergangenen Tagen ist alles noch einmal intensiv durchgekaut worden: Merkel traf sich in Brüssel mit Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker, Finanzstaatssekretär Thomas Steffen und dem Euro-Arbeitsgruppenboss Thomas Wieser. Am Samstag sollen die Finanzminister per Video konferiert haben. Und es ist gut möglich, dass Merkel auch direkt mit IWF-Chefin Christine Lagarde eine Lösung suchte.

In diesen unbekannten Gewässern mag ihr Auf-Sicht-Fahren verständlich sein – nun treibt sie den Ansatz auf die Spitze. Wohin das führt, werden die Bürger wohl erst nach der Bundestagswahl wissen. Nicht umsonst hat nach FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle auch SPD-Kandidat Peer Steinbrück einen Ausfall der Kredite zum Thema gemacht. „Wir Deutschen“, sagte er in einem Interview, „müssen Opfer bringen für den Zusammenhalt Europas.“