Analyse zur Lage im Einzelhandel Ohne Qualität ist alles nichts

Eine Gewerbeschau wie die Leomess stößt nicht mehr auf das Interesse wie in früheren Jahren. Foto: Archiv

Das Aus der Verbraucherschau Leomess zeigt: Jedes Format hat seine Zeit, auch im Handel, meint unser Leonberger Redaktionsleiter Thomas K. Slotwinski.

Leonberg: Thomas K. Slotwinski (slo)

Verbraucherschau: klingt irgendwie altmodisch und aus der Zeit gefallen. Deshalb verwundert es nicht wirklich, dass nach Ostern das Ende der Leomess in Leonberg verkündet wurde. Einstmals eine äußerst respektable Veranstaltung, die viel mehr war als eine klassische Verbraucherschau. Die Leomess war in früherer Zeit ein Treffpunkt.

 

An etlichen Ständen ging es in den vielen guten Jahren nicht nur um die Produkte und ums Verkaufen. Die Stände waren Orte der Kommunikation. Hier wurde geplaudert, ein Gläschen getrunken und ein Häppchen gegessen. Eine Geschäftsanbahnung hat sich angesichts dieses Wohlfühlfaktors dann sehr oft fast automatisch ergeben.

Corona hat auch hier gewachsene Strukturen grundlegend zerstört. Seit der Pandemie sind die Art des Miteinanders wie auch die Welt des Handels völlig anders. Die Menschen bestellen online. Interessanterweise sind es oft jene ökologisch bewussten Kreise, die bedenkenlos dazu beitragen, dass Lieferwagen hin und her fahren, kostenlose Umtauschtour natürlich inklusive.

Kein nostalgisches Klagelied

Offenbar verfängt das PR-Image von klimabewussten und politisch korrekten Unternehmensphilosophien, bei denen selbst jene eine Chance zum beruflichen Aufstieg haben, die sonst im Abseits stünden. Dass die weltweit agierenden Konzerne ihren Erfolg auch aufgrund prekärer Arbeitsverhältnisse sicherstellen, passt da nicht ins projektierte Bild einer heilen Welt, in der erwartungsfrohe Menschen den lächelnden Paketboten fröhlich willkommen heißen.

Nein, es soll nicht das nostalgiegeschwängerte Klagelied angestimmt werden, wonach früher alles besser war. Die Gesellschaft ändert sich. Und auch in der Geschäftswelt galt und gilt: Handel ist Wandel. Deshalb ist es sehr gut nachvollziehbar, dass die Organisatoren der Leomess nun einen Schlussstrich gezogen haben. Schließlich sind es keine Messeprofis, die seit mehr als einem Vierteljahrhundert die Schau in der Leonberger Innenstadt auf die Beine gestellt haben. Es sind die ehrenamtlich agierenden Mitglieder des Bundes der Selbstständigen, von denen die meisten selbst ein Unternehmen haben oder an der Spitze eines Betriebes stehen.

Mit Sonderaktionen, hier beim Leonberger Modehaus Wibbel, kann der Handel punkten. Foto: Simon Granville

Die einzige Leomess nach Corona hat ernüchternde Zahlen geliefert: Von einstmals stets weit mehr als 100 Ausstellern war nur gut die Hälfte übrig geblieben. Zudem hatten die Besucherzahlen stark nachgelassen. Eben weil es die einst so beliebten Treffpunkte der lokalen Händler kaum noch gegeben hat. Und weil heutzutage ein paar Werbegeschenke oder das Drehen an einem Glücksrad nicht mehr unbedingt das Publikum in Scharen anziehen. Von den hohen Kosten für die Aussteller – neben den Standgebühren musste für zwei Tage Personal gestellt werden – einmal ganz abgesehen.

Und jetzt? Dass gerade der Einzelhandel das Rückgrat einer jeden Innenstadt ist, wird immer deutlicher, je mehr Läden leer stehen. Dieses bedrückende Phänomen – in zahllosen Gegenden jenseits der Region Stuttgart noch sehr viel gravierender – zeigt klar auf, wie eng die Themen Verkaufen und Begegnung zusammengehören. Schon im Altertum waren Märkte Orte des Austauschs, das hat sich nicht geändert.

Jedoch sind Gewerbetreibende von jetzt zusehends gefordert, den Erlebnisfaktor mit originellen Ideen und Aktionen zu erhöhen, um Kundschaft jenseits des Warenangebotes zu locken. Der Grundstein aber ist und bleibt die Qualität der Produkte und der Beratung. Das schafft Vertrauen und eine Kundenbindung. Das kann kein Internet bieten.

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