Romantik zwischen Beton und Billigmöbeln: Der Liebesfilm „Anderst schön“ um einen Plattenbau-Hausmeister und eine Mieterin macht alles richtig. Zeit also, in der ARD-Mediathek vorbeizuschauen.

Stuttgart - So richtig halten will die Fliese nicht. Der Plattenbau-Hausmeister Roger Müller (Charly Hübner) hat schon ein paar mal versucht, die Lücke in der Badezimmerkachelung einer gerade leerstehenden Wohnung zu schließen, aber immer wieder stürzt die frisch eingeflickte Fliese von der Wand. Roger gibt sich Mühe, aber er hat es einfach nicht im Griff. Das könnte man auch von seinem ganzen Leben sagen.

 

Wer das die ganze Zeit mal mehr, mal weniger verletzend ausspricht, ist die Mutter des fast vierzigjährigen Roger, eine klammernde, so bedürftige wie verbitterte Säuferin, die ihren Sohn dadurch zu halten versucht, dass sie ihm Angst vor dem Leben macht. Roger weiß, was mit ihm los ist. Er ist einsam, er hat es nicht so raus mit den Frauen, er hat nur eine Liste mit Namen von Beinahe-Ex-Freundinnen.

Zwischen Beton und Billigmöbeln

Dass er von dieser Liste Namen holt, um die Schafe zu taufen, die er auf dem Dach des Wohnblocks hält, könnte leicht zur pervers angehauchten Rüdheit werden. Oder zum blöden Gag. So wie der pure Umstand, dass er hier oben eine kleine Rettungsfarm eröffnet hat, weil er dem Nachbarn Herrn Üzgül immer mal wieder eines der Tiere abkauft, die der zur Hausschlachtung anschleppt, wirklichkeitsferner Kitsch sein müsste. Aber „Anderst schön“, eine romantische Komödie zwischen Beton und Billigmöbeln, ist absolut trittsicher. Nie gibt es einen Stapfer in die Peinlichkeit, einen Ausrutscher ins Verächtliche oder einen Sturz in die Sülze.

Zwar ist alles völlig vorhersehbar: Roger verliebt sich ein wenig in die neu eingezogene, alleinerziehende Ellen Bahlow (Christina Große), aber die ersten linkischen Annäherungsversuche scheitern. Dann gibt es doch eine seltsame Annäherungswendung – und das große Missverständnis. Aber die Formelhaftigkeit erstickt die Figuren nicht, sie gibt ihnen Halt. Das Drehbuch von Wolfgang Stauch und die Regie von Bartosz Werner können sich im Schutz des Gewohnten um die Kleinigkeiten kümmern, um die Momente der Wortlosigkeit genau so wie um die zu schnelle Antwort, die ganz anderes bewirkt als man möchte.

Misstrauisch auf Distanz

Zum Einzug steht Roger mit einem Blumenstrauß vor der Tür – und Ellen bürstet ihn ab, als dränge er ihr Werbeprospekte auf. Obwohl sie kein Biest ist und sich nach jemandem sehnt, mit dem sie anderes reden kann als mit den Telefonsexkunden, die sie nebenbei bedient. Hübner spielt die unbeholfenen Liebenswürdigkeit von Roger so dezent wie Große die misstrauische Distanzwahrung von Ellen als verständlichen Selbstschutz deutlich macht, nicht als kaltschnäuzige Unart.

„Anderst schön“ stammt aus dem Jahr 2015, wirkt gar nicht unangenehm wie die Lite-Version eines Doris-Dörrie-Films und ist dank einer Tingeltour durch die Dritten Programme wieder in der ARD-Mediathek aufgetaucht. Wer einen aufheiternden, aber unklamaukigen Filmabend möchte, ist hier richtig.

Verfügbarkeit: In der ARD-Mediathek bis 5. Juni 2020