In Schulklasse 5k wird es eng: Jahrelang stiegen die Anmeldezahlen am renommierten Friedrich-Schiller-Gymnasium, dem größten Gymnasium in Baden-Württemberg. Jetzt platzt die Schule aus allen Nähten – und muss Schüler abweisen.

Marbach - Für Christof Martin ist es eine traurige Premiere: „Es ist das erste Mal, dass wir Schüler ablehnen müssen“, sagt er. Martin ist Schulleiter des Friedrich-Schiller-Gymnasiums in Marbach. Das FSG ist nicht irgendein Gymnasium – es ist mit 2400 Schülern das mit Abstand größte in Baden-Württemberg und wahrscheinlich auch das größte in Deutschland. Auf den Klassenstufen fünf bis elf gibt es jeweils bis zu elf Züge. Auch im kommenden Jahr wird es wieder die Klassen 5 a bis 5 k geben – und in Anbetracht der 365 Anmeldungen hätte es auch noch eine Klasse 5 l und 5 m geben können.

 

Doch dazu fehlt zum einen der Platz und zum anderen der politische Wille. Seit Jahren vermeldet das FSG steigende Anmeldezahlen, im laufenden Schuljahr waren es 341, im Jahr davor 332. Immer wieder wurden die Schulgebäude erweitert – bis die Stadt Marbach als Schulträger genug hatte. Im Januar 2017 schlug der Verwaltungsausschuss des Gemeinderats eine Obergrenze vor: Maximal elf Züge in den Klassen fünf bis elf künftig. Seitdem gilt auch ein Baustopp und Martin muss versuchen, mit den vorhandenen Räumen klarzukommen. „Es tut uns leid, dass wir Schüler abweisen müssen, aber bei uns ist eine Grenze erreicht, an der es nicht mehr geht“, sagt Gerhard Heim, der Erste Beigeordnete der Stadt.

40 Schüler müssen sich ein anderes Gymnasium suchen

40 Schüler kommen daher im September nicht zum Zug und müssen sich andere Gymnasien suchen. Vor allem betroffen sind davon Kinder, die außerhalb des Stamm-Einzugsgebiets rund um Marbach und im Bottwartal leben. Geschwister von Kindern, die bereits auf der Schule sind, muss das FSG aufnehmen. „Das ist eine Vorgabe des Regierungspräsidiums“, sagt Martin. Laut dem Schulleiter seien alle betroffenen Eltern bereits per Brief informiert worden und die Kinder seien bei anderen nahen Gymnasien untergekommen. Martin hofft, trotz „elf rappelvoller Klassen“ – der Klassenteiler liegt bei 30 Schülern – die Kinder dennoch so persönlich wie möglich fördern und betreuen zu können. Er vergleicht die Schule mit einem ICE: „Da fragt auch niemand, wie lang er ist, sondern ob es in meinem Abteil gemütlich ist.“

Hier finden Eltern alles, um die Begabungen ihres Kindes zu fördern

Attraktiv ist die Schule allemal – was auch ein Grund für die steigenden Anmeldezahlen sein könnte. Es gibt einen Hochbegabtenzug, die Schüler können wählen zwischen G8 oder G9, die Schule hat zehn verschiedene Fremdsprachen im Angebot, darunter Chinesisch und Arabisch, zudem gibt es in den MINT-Fächern diverse Profile und auch ein internationales Abitur auf Englisch ist möglich. Kurzum: Hier finden Eltern so ziemlich alles, wenn sie die Begabungen ihres Kindes fördern wollen. Der Erste Beigeordnete nennt das große Angebot der Schule als einen möglichen Grund für den Ansturm – eine Art „Fluch der guten Tat“, wie er sagt. Doch das ist nicht alles.

Die hohen Anmeldezahlen haben Stadt und Schule „auf dem falschen Fuß erwischt“, wie Martin gesteht. Und auch Heim war überrascht, denn die Zahl der Viertklässler im Einzugsbereich rund um Marbach und im Bottwartal ist weniger geworden. Gleichzeitig hat sich die Zahl der Anmeldungen für das FSG von außerhalb des Stamm-Einzugsgebiets nicht erhöht. Martins Erklärung: „Die Grundschüler, die jetzt in die fünfte Klasse kommen – auch wenn es weniger sind – haben mehr Gymnasialempfehlungen.“

Immer mehr machen Abitur – oder fallen durch

Martins These deckt sich mit den Zahlen des Statistischen Landesamtes: Seit 1995 ist der Anteil der Gymnasiasten unter Schülern der weiterführenden Schulen fast ausnahmslos gewachsen. Das Kultusministerium Baden-Württemberg bestätigt Martins Vermutung: „Der Trend zum möglichst höherwertigen Bildungsabschluss ist da“, sagt die Ministeriumssprecherin Christine Sattler. Dabei sei das Abitur nicht für jedes Kind der beste Weg. Sattler verweist dabei auf eine am Dienstag veröffentlichte Auswertung der Deutschen Presse-Agentur. Diese hat ergeben, dass in den vergangenen neun Jahren immer mehr Schüler durchs Abitur gefallen sind – 2017 waren es bundesweit 3,78 Prozent.

Schulleiter Martin hat derweil andere Sorgen: Er weiß nicht, wie sich die Nachricht von abgelehnten Schülern am FSG auf die Anmeldezahlen im übernächsten Schuljahr auswirken wird. Es könne sein, dass dann der Run erst recht einsetze. „Oder die Zahlen halbieren sich.“

Immer mehr wollen das Abitur

Gymnasiasten
Prozentual immer mehr Schüler besuchen als weiterführende Schule das Gymnasium. Betrug der Anteil der Schüler, die im Schuljahr 1995/1996 von der Grundschule auf ein Gymnasium wechselten, noch 31,5 Prozent, waren es zehn Jahre später bereits 37,8 Prozent. Aktuell sind es nach Angaben des Statistischen Landesamtes 43,3 Prozent.

Schüler
Insgesamt werden es jedoch weniger Schüler. Seit dem Jahr 2000 sinken die Zahlen fast kontinuierlich. Damals waren es landesweit insgesamt 116 924 Schüler, heute sind es noch 93 115. Das Kultusministerium rechnet damit, dass die Zahlen noch bis 2020 zurückgehen und danach wieder ansteigen.