Andrea De Carlos neuer Roman „Villa Metaphora“ spielt auf der kleinen Insel Tari südlich von Sizilien. Dort prallen in einem Luxusresort die Neurosen und Befindlichkeiten einer Handvoll reicher und berühmter Menschen aufeinander. Es kommt zur Katastrophe.

Nachrichtenzentrale : Lukas Jenkner (loj)

Sizilien - Jahrelang hat der Mailänder Stararchitekt Gianluca Perusato geschuftet, jetzt steht sein exklusives Luxusresort Villa Metaphora auf der kleinen Insel Tari südlich von Sizilien kurz vor der Eröffnung. Das muss es auch, denn Perusato hat sein gesamtes Vermögen in das Projekt gesteckt. Als die ersten Gäste eintreffen, steht er nicht nur charmant lächelnd am Kai, sondern finanziell auch mit dem Rücken zur Wand.

 

Bald stellt sich heraus, dass es seinen Gästen aus verschiedensten Gründen ähnlich geht. Die junge, hysterische Hollywood-Diva Lynn Lou Shaw hatte einen Nervenzusammenbruch beim Dreh, ihr Ehemann Brian Neckhart hat alle Mühe, ihren Alkohol- und Pillenkonsum im Zaum zu halten. Der deutsche Top-Banker Werner Reitt nebst Ehefrau Brigitte muss wegen ein paar unappetitlicher Bilder, die im Internet verbreitet worden sind, untertauchen. Die inkognito angereiste Kritikerin Simone Poulanc hat nicht mehr viel in ihrem Leben als die Gelegenheit, Hoteliersexistenzen mit giftgetränkten Texten zu vernichten, was sie gerne tut und was sie trotzdem unglücklich bleiben lässt. Der Fabrikant Giulio Cobanni war einst berühmt für seine erstklassigen Ferngläser, die aber schon lange nicht mehr konkurrenzfähig sind, nun kultiviert er mit seiner Ehefrau Tiziana seinen Lebensüberdruss. Und auch das Personal des Luxusresorts bringt einen Schwung persönlicher Probleme mit auf das kleine Inselchen.

Die Schicksale verschlingen sich ineinander

Es kommt, wie es kommen muss: alle stehen unter nervlicher Hochspannung, und als die so unterschiedlichen und kapriziösen Charaktere aufeinander treffen, entwickelt sich der Aufenthalt in der Villa Metaphora zu einer psychischen und physischen Kernschmelze. Verstärkt wird die Katastrophe, anders kann man das Geschehen am Ende nicht nennen, durch Paparazzi, russische Oligarchen und einen überehrgeizigen italienischen Nachwuchspolitiker. Die Schicksale verschlingen sich ineinander. Es sterben Menschen.

Andrea De Carlo erzählt „Villa Metaphora“ mit Tempo, Witz und genauer Beobachtungsgabe. Sein Ansatz, kapitelweise jeweils die Perspektive eines seiner Protagonisten einzunehmen und dies auch in der Sprache auszudrücken, funktioniert. Der Roman ist eine Mischung aus Vicky Baums Episodenromanen und Alfred Hitchcocks schwarzem Humor, mit einem ordentlichen Schuss Satire und italienischem Slapstick in der Tradition Dario Fos und Federico Fellinis, dessen Assistent Andrea De Carlo ja einmal war.

Manchmal von allem ein bisschen zu viel

„Villa Metaphora“ ist vieles: witzig, schräg, sozialkritisch, lebensklug – und manchmal von allem etwas zu viel. De Carlo lässt auf der Insel Tari gleich mehrere Welten aufeinander krachen: das alte, dekadent-behäbige Europa auf das agile, businessorientierte Amerika und später das superreiche, aber (immerhin nicht völlig) kulturlos gewordene Russland; die kalte Welt der Hochfinanz auf die solidarische Genügsamkeit der Lebenskünstler und Globetrotter; und schließlich die ins Groteske übersteigerte Hochkultur auf das einfache Leben italienischer Insulaner. Und während die Bissigkeit, mit der Andrea De Carlo die Neurosen und Charakterlosigkeiten seiner Figuren aufzeichnet, ausgesprochen witzig ist, gerät sein offensichtlicher Gegenentwurf, die frische, junge Liebe zweier Menschen, ziemlich schmalzig. Über die Liebe zu schreiben, ist halt eine Kunst für sich – und über Sex allemal.

Außerdem ist „Villa Metaphora“ sehr lang. Ob wirklich knapp 1100 Seiten notwendig sind, sei dahingestellt. Im Laufe der Geschichte hat das zur Folge, dass der Leser mancher Schilderungen schlicht überdrüssig wird. Das gilt zum Beispiel für das penetrante Herrenmenschengehabe des deutschen Bankers und die hysterischen Eskapaden der amerikanischen Aktrice – beide möchte man früher oder später über die Klippen stoßen. Aber vielleicht hat De Carlo in diesen Momenten genau das erreicht, was er wollte.

Andrea De Carlo: „Villa Metaphora“. Roman. Aus dem Italienischen von Maja Pflug. Diogenes Verlag, Zürich 2015. 1088 Seiten, 26 Euro. Auch als E-Book, 22,99 Euro.