Andrea Nahles ist mit eher bescheidenen 66,3 Prozent zur SPD-Vorsitzenden gewählt worden. Das Ergebnis ist aber zweitrangig, kommentiert Thomas Maron. Entscheidend ist, ob sie es schafft, die Partei mit sich zu versöhnen.

Wiesbaden - Gewählt ist gewählt. So wird Andrea Nahles denken, die sich erwartungsgemäß gegen die tapfere Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange durchgesetzt hat und damit die erste Frau an der Spitze der SPD ist. Ihr mäßiges Ergebnis überrascht keinen, sie selbst am wenigsten. Nahles kennt die SPD gut. Hat die Partei Fieber, fängt auch die ehemalige Juso-Chefin an zu glühen. Und weil das so ist, zermartert sich Nahles nicht erst seit der Bundestagswahl fiebrig den Kopf, um eine Antwort auf die Frage zu finden, wie die Partei noch zu retten ist.

 

Nahles sieht sich mit mehreren Herausforderungen konfrontiert. Zum einen ist das Profil der SPD in zentralen Zukunftsfeldern nicht mehr erkennbar. Zum anderen war der Parteitag ein weiterer Beleg dafür, wie sehr die Basis der Führung misstraut. Die Mitglieder wollen wieder das Gefühl haben, gewinnen zu können. Deshalb haben sie sich ja an Martin Schulz so berauscht, als sie ihn mit 100 Prozent auf den Thron hievten. Das Ergebnis dieser ersten Wahl kann Nahles egal sein, denn es bewertet die Vergangenheit. Viel wichtiger ist das Ergebnis in zwei Jahren – wenn sie es bis dahin schafft. Gelingt es ihr, die Partei auf Kurs zu bringen und Vertrauen zu schaffen, ist das tausendmal mehr wert als 100-Prozent-Ergebnisse, albernes Gottkanzlergeblödel und ein tiefer Fall ins Nichts.