Der deutsche Bestseller-Autor Andreas Eschbach („Das Jesus-Video“) hat mit „NSA“ einen Nazi-Thriller vorgelegt, der es in sich hat – bis hin zum infernalischen Ende.

Nachrichtenzentrale : Lukas Jenkner (loj)

Stuttgart - Dystopien mit Alternativszenarien, in denen die Nazis den Weltkrieg gewonnen haben, sind nichts unbedingt Neues. Der Roman „Das Orakel vom Berge“ von Philip K. Dick, Grundlage der Amazon-Erfolgsserie „The Man in the High Castle“, ist bereits 1962 erschienen, ein weiter Meilenstein in diesem Genre ist „Vaterland“ von Robert Harris aus dem Jahr 1992. In beiden Fällen haben die Nazis den Weltkrieg gewonnen, mit entsprechend verheerenden Folgen für den Rest der Menschheit.

 

Der deutsche Bestseller-Autor Andreas Eschbach, vor allem bekannt für „Das Jesus-Video“, hat sich in seinem neuesten Thriller „NSA“ für eine Variante des Themas entschieden. „NSA“ spielt zwar zur Zeit des Dritten Reiches und nicht etwa nach 1945, allerdings existieren in Eschbachs Alternativwelt Computer und Internet. Was die Nazis aus der totalen Vernetzung machen und wie sie Big Data für die „Endlösung“, also die Ermordung aller Juden, nutzen, das erzählt Eschbach auf knapp 800 Seiten.

Eine bis ins Detail durchdachte Welt

Im Mittelpunkt stehen die Leben von Helene Bodenkamp und Eugen Lettke, die es beide aus unterschiedlichen Gründen ans Nationale Sicherheits-Amt in Weimar verschlagen hat. Während Lettke den braunen Herrschern mit einer Mischung aus Opportunismus und Überzeugung folgt und die Möglichkeiten seiner Behörde, im Privatleben aller Deutschen herumzuschnüffeln, für seine lüsternen Zwecke nutzt, ist Helene Bodenkampf eine alleinstehende graue Maus, die ihr Talent als Programmiererin dazu genutzt hat, sich ein eigenes Leben am Rande der NS-Ideologie von der gebärfreudigen deutschen Mutter aufzubauen. Doch als sich Helene eines Tages doch verliebt, nimmt das tragische Schicksal seinen Lauf.

Eschbach schafft in „NSA“ eine bis ins Detail durchdachte Welt. Für die Technik, die er in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts hineinpflanzt, hat er ein eigenes Vokabular gefunden: Es gibt tragbare Telefone, in der Sprache der Nazis Volkstelefon oder kurz Votel. Das Internet heißt Weltnetz, Server werden Datensilos genannt, E-Mails Elektrobriefe und Programme werden gestrickt, denn Programmieren ist Frauensache.

Propaganda deutscher Nazi-Hacker

Eingewebt in die Geschichte von „NSA“ sind jede Menge Anspielungen auf die reale Geschichte und Verschwörungstheorien, wie sie bis heute im Netz zu finden sind. Das reicht von mittelmäßig geschmackvoll, etwa an der Stelle (Achtung: Spoiler!), an der es dem NSA gelingt, per Datenabgleich die Familie von Anne Frank festzunehmen, bis hin zu ausgesprochen originell, als Eschbach zum Beispiel den Mythos, Präsident Roosevelt habe seinerzeit vorher vom japanischen Angriff auf Pearl Harbor gewusst, als Propaganda deutscher Nazi-Hacker entlarvt. Die Parallelen zur Gegenwart sind offensichtlich: Das gilt sowohl für die russischen Hackerangriffe als auch den für seine Datensammelwut berüchtigten amerikanischen Geheimdienst NSA.

Das macht „NSA“ phasenweise zu einer durchaus beklemmenden Lektüre. Zwar sind Sprache und Handlung eher schlicht und leicht verständlich. Aber zu was die Daten, die ein Mensch im Laufe eines Tages und Lebens so hinterlässt, tatsächlich missbraucht werden können, lässt den Leser doch das eine oder Mal über die Leichtfertigkeit, mit denen er die Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf Internetseiten wegklickt, ins Grübeln geraten. Abgerundet wird Eschbachs neuester und lesenswerter Wurf durch ein infernalisches Ende.

Andreas Eschbach: NSA. Roman. Bastei Lübbe Köln 2018. Hardcover, 796 Seiten, 22,90 Euro. Auch als E-Book, 16,99 Euro.