Andreas Staier beim Musikfest Stuttgart Familie Bach spielt auf

Roel Dieltiens, Andreas Staier, Stephan MacLeod, Mirjam Feuersinger und Petra Müllejans in der Stuttgarter Stiftskirche Foto: Musikfest Stuttgart/Holger Schneider

Zum Finale der Reihe „Sichten auf Bach“ haben Mirjam Feuersinger, Stephan MacLeod, Andreas Staier, Petra Müllejans und Roel Dieltiens feinste Kammermusik gespielt.

Johann Christian lärmt ein wenig. Sitzt unter dem Cembalo und singt und klopft mit. Der Vater nimmt’s gelassen, hat zwei kleine Kinder auf den Knien, Johanna Carolina und Regina Susanna, und präludiert dabei ein wenig auf dem Cembalo. Gäste sind da, sogar die beiden ältesten aus der ersten Ehe des Cembalisten, der jetzt als Thomaskantor berühmt wurde. Dabei ist auch die zweite Ehefrau Johann Sebastian Bachs, Anna Magdalena, eine exzellente Sängerin. Gemeinsam blättert man ein wenig in Schemellis Liederbuch, das gerade im Druck erschien. Spielt und singt auch mal in die eine oder andere Kantate Bachs hinein. Vielleicht ist November, man ist melancholisch, es geht um den Tod, aber Wilhelm Friedemann und Carl Philipp Emanuel sorgen dafür, dass am Ende alles wieder ein wenig lichter wird.

 

So könnte es in den späten 1730er Jahren im Leipziger Haus der Familie Bach zugegangen sein, und so ähnlich erlebt man es am Mittwoch beim letzten Konzert der Musikfest-Reihe „Sichten auf Bach“ in der Stuttgarter Stiftskirche: Fünf Musiker – der Cembalist Andreas Staier, die Geigerin Petra Müllejans, der Cellist Roel Dieltiens, die Sopranistin Mirjam Feuersinger und der Bariton Stephan MacLeod – simulieren ein familiäres Hauskonzert bei Bachs, und das Publikum ist mittendrin in einem klug vernetzten Kosmos.

Die Sopranistin Mirjam Feuersinger ist eine Sensation

Allein die Dramaturgie ist vom Feinsten. Die Darbietung ist es aber auch. Andreas Staier am Cembalo hält das Konzert mit subtil schattierten leisen Tönen und lebendigem Reagieren zusammen. Petra Müllejans gestaltet den Cantabile-Satz aus Bachs G-Dur-Sonate BWV 1019 ebenso singend, sprechend, erzählend wie den Violinpart der Arie „Welt, ade, ich bin dein müde“ aus der Kantate „Der Friede sei mit dir“. Roel Dieltiens gibt die Sarabande aus der Cellosuite BWV 1011 als sehr freie, hochpoetische Fantasie. Stephan MacLeod bringt Kunst, Erfahrung und hohe Empathie ein. Und die klare, fast vibratolose Stimme von Mirjam Feuersinger ist fokussiert wie ein Laserstrahl. In der träumerisch angestimmten Reprise der Arie „Schlummert ein, ihr matten Augen“ aus Bachs Kantate „Ich habe genug“ singt sie ein entrücktes Pianissimo. Die „stille Ruh“ im Text verklingt wie ins Nichts. Was für ein vertieftes, bei aller Kunst natürliches Singen! Und dann? Bach hätte damals vielleicht die Kinder vom Schoß genommen, die sanft entschlummerten, und anschließend gab es Leipziger Allerlei. In Stuttgart tritt man aus der Kirche hinaus in die Sonne; man war der Welt abhanden gekommen.

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