Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Er selbst kommt aus einem Elternhaus, „in dem es kein Geld gab“. Der Vater SPD-Mitglied und Bahnbeamter, der Großvater „ein Proletarier“, der Sohn und Enkel ist entgegen anders lautender Vermutung kein Sozialromantiker und auch kein Robin Hood, ein „FDP- und Grünen-Wechselwähler“ – so viel gibt er preis. Außerdem sei er Unternehmer, sagt er, um die Unterstellung, womöglich ein Gutmensch zu sein, im Keim zu ersticken. Aber immerhin so viel gibt er zu: „Mein Herz schlägt zu 51 Prozent gegen die Anbieter von Finanzdienstleistungen.“ Angebote, die Seiten zu wechseln, hat er bisher immer abgelehnt.

 

„Ich wäre ohne meinen Schwiegervater nicht der, der ich heute bin“, sagt er. Der Metzger und Gastwirt war ein Macher. Sein Schwiegersohn ist es auch. Den Umgang mit Menschen hat er in der Wirtschaft des Schwiegervaters in Ebersbach an der Fils, seinem Geburtsort, gelernt. Vom Morgenalkoholiker bis zum Bürgermeister sind dort die unterschiedlichsten Menschen ein- und ausgegangen – Andreas Tilp immer mittendrin. Das war eine Schule des Lebens. Dort hat er gelernt, wie man mit den Leuten spricht. „In komplizierten Fällen des Kapitalmarktrechts müssen Sie investigativ unterwegs sein und gute Kontakte haben“, sagt er. Whistleblower sind in seinen Augen keine Verräter, sondern Menschen, „die dem Recht zur Geltung verhelfen“. Sich selbst bezeichnet er als „Organ der Rechtspflege“. Manche lachen über diese Selbstverortung. Tilp hat es gerne einfach und deutlich.

Tilp vertritt 278 VW-Anleger

Im Moment jongliert er wieder mit ziemlich viel Geld. Aktuell beläuft sich der Streitwert aller Klagen, die er vertritt, auf grob übeschlagen 15 Milliarden. 278 Anlieger davon sind Kläger gegen VW, allein der Schaden für sie beläuft sich auf 3,2 Milliarden Euro. Da bekommen Durchschnittsverdiener weiche Knie. Tilp hingegen geht das mit spielerischer Leichtigkeit und Kampfgeist an. Und das nicht nur, weil er, wie er mehrmals sagt, ein Sonntagskind sei, sondern weil er nach 22 Jahren im Job die Tricks der Konzerne und Banken kennt und seinerseits über beste Verbindungen verfügt. „Die Auseinandersetzung mit dem Gegner ist für mich immer wieder aufs Neue eine spielerische Herausforderung“, sagt er. Dass der VW-Abgasskandal publik werden würde, wusste er bereits vor der Zeit durch den Porsche-Prozess, wo er vor dem Braunschweiger Landgericht Anleger vertrat, und durch seine Verbindungen in US-Anwaltskanzleien. „Wir waren vorbereitet“, sagt er. Nur der Zeitpunkt kam für ihn dann doch überraschend. Dass die VW-Konzernleitung die Vorwürfe so schnell einräumen würde, bescherte Tilp eine Sonntagsschicht. „Weil unsere Pressemitteilung raus musste, habe ich sie am Sonntagabend eben selbst geschrieben“, sagt er. An einen handverlesenen Verteiler.

Er weiß, wie die Öffentlichkeit tickt und wann man was lancieren muss. Das hat schon 1994 geklappt. Da bestätigte der Bundesgerichtshof bei Termingeschäften seine Sicht der Dinge. Damit war er nicht nur in eigener Sache am Ziel. Damit begann auch Tilps Erfolgsgeschichte. Damals reagierte auf seine Pressemitteilung nur Bolko Hoffmann, der Herausgeber des Effektenspiegels. Aber das reichte, um Tilps Bekanntheitsgrad in der Finanzbranche in die Höhe schnellen zu lassen.