Seine Managerkollegen halten große Stücke auf Wolfgang Leitner. Das Kind eines Arbeiters, heute schon Herr über die weltweit tätige Andritz-Gruppe, regiert künftig auch bei Schuler.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Stuttgart - Seine Managerkollegen halten große Stücke auf Wolfgang Leitner. In einer Umfrage des österreichischen Wirtschaftsmagazins „Trend“ wählten sie ihn im Juni zum besten Unternehmenslenker der Alpenrepublik. Schon zum zweiten Mal haben sie damit dem Arbeiterkind den Lorbeer um den Hals gehängt. Leitner, heute Herr über die weltweit tätige Andritz-Gruppe, kommt aus kleinen Verhältnissen.

 

In Andritz, einem Vorort von Graz, stand und steht die Fabrik, in der Leitners Vater Karl als Schlosser tätig war. Es geht arm zu in dem Arbeiterhaushalt, in dem der Bub 1953 auf die Welt kommt. Doch eine Lehrerin erkennt die Begabung des Jungen. Er kann das Abitur machen – und wird schließlich promovierter Chemiker.

Ehrgeiz und Glück

Großer Ehrgeiz, aber auch ein gutes Quäntchen Glück bringen ihn auf der Karriereleiter voran. Der Naturwissenschaftler, der auch eine Zulassung für die Eliteuniversität Harvard in der Tasche hat, verzichtet auf ein weiteres Studium und heuert bei der Unternehmensberatung McKinsey an. Das erweist sich später als der erste Glücksfall. 1983 schicken ihn die Berater dorthin, wo sein Vater 30 Jahre lang tätig war – zu Andritz.

Das Unternehmen ist praktisch pleite und muss saniert werden. „Ich habe Dinge vorgeschlagen, die wirklich weit danebenlagen“, vertraute Leitner vor einigen Jahren dem Wirtschaftsmagazin „Trend“ an. Zwei Jahre nach dem Einsatz in Österreich gibt Leitner die gut bezahlte Stelle bei McKinsey auf, ein weiteres Jahr später gründet er mit zwei Kumpels aus der Studienzeit – einer ist der spätere österreichische Wirtschaftsminister Martin Bartenstein – das Generika-Unternehmen Genericon. Überhaupt steht ein guter Stern über dem Jahr 1986: Bei einem Skiurlaub lernt er seine Frau kennen, Maria Cattina Soravia. Leitner heiratet in eine Bauunternehmerdynastie ein, die nach der Wende auch in Ungarn aktiv wird. Dort lernt er Imre Somody kennen, einen der Gründer der Pharmafirma Pharmavit. Von diesem will er Wirkstoffe für seine Generika kaufen, doch bereits nach einem Jahr hat er die Mehrheit an der gesamten Firma.

Umsatz von gerade mal 194 Millionen Euro

Auch im Jahr darauf lacht Leitner wieder das Glück: Ludwig Pfeiffer-Lissa, der neue Chef des inzwischen sanierten Andritz-Konzerns erinnert sich, dass dort vor etlichen Jahren einmal ein Mc-Kinsey-Mann namens Wolfgang Leitner aktiv war. Pfeiffer-Lissa holt sich den Ex-Berater als Finanzvorstand – und lässt sich ein Zugeständnis abhandeln: Der Chemiker darf nebenher auch weiter für Genericon aktiv sein. Pharmavit verkauft der alpenländische Aufsteiger 1995 für 110 Millionen Dollar an den US-amerikanischen Pharmariesen Bristol-Myers-Squibb, Genericon behält er bis heute.

Als Leitner 1987 in den Vorstand von Andritz einrückt, gehört das Unternehmen einem Hedgefonds und erzielt einen Umsatz von umgerechnet gerade mal 194 Millionen Euro, der Gewinn liegt bei bescheidenen 900 000 Euro. 1994 wird der Finanzboss Vorstandschef. Fünf Jahre später trennt sich der Hedgefonds von dem Unternehmen, Leitner erwirbt einen Anteil von 26 Prozent, heute hat er 30 Prozent. Diese hält er mit seiner Frau über die Custos Privatstiftung der Familie. Etwa 70 Prozent des Kapitals kommen beim Gang an die Wiener Börse in Streubesitz. Andritz beschäftigt heute 16 000 Mitarbeiter und setzt vier Milliarden Euro um. In den vergangenen Jahrzehnten wurde der Konzern mehrfach umgekrempelt, den Arbeitsplatz des Vaters als Schlosser gibt es nicht mehr. Der Sohn aber ist zum alpenländischen Gipfelstürmer geworden.