In den USA ist mit Android Pay von Google knapp ein Jahr nach Apple Pay das zweite mobile Bezahlsystem eines IT-Riesen an den Start gegangen. Samsung wird in Kürze folgen – und auch die Expansion nach Europa ist nur noch eine Frage der Zeit.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Das Rennen großer IT-Konzerne um eine dominierende Position auf dem Markt mobiler Bezahlsysteme geht in den USA in eine neue, entscheidende Runde. Knapp ein Jahr nachdem Apple mit seinem mobilen System Apple Pay an den Start gegangen ist, hat jetzt Google sein auf dem mobilen Betriebssystem Android fußendes System Android Pay freigeschaltet. Ende September wird mit Samsung ein weiterer großer Wettbewerber in den USA an den Start gehen.

 

Google konnte sich zum Start die Kooperation der vier großen Kreditkartenbetreiber American Express, Discover, Mastercard und Visa sichern und hat auch sofort mehr als eine Million Akzeptanzstellen in Supermärkten, Fast-Food-Restaurants und Apotheken im Angebot.

Die USA werden damit zum Testmarkt für große IT-Anbieter, welche die bisherige Stellung von Finanzdienstleistern attackieren. Banken und Kreditkartenfirmen haben auch in den USA bisher die elektronischen Bezahlvorgänge dominiert – dank ihrer mit Chip und in den USA oft auch noch mit Magnetstreifen versehenen Plastikkarten. Ein großer Vorteil der neuen mobilen Systeme soll es aus Sicht der Anbieter sein, dass das Smartphone auch beim Bezahlen zum Allzweckgerät mutiert. Zusatzfunktionen erlauben beispielsweise einen leichteren Überblick über die Einkäufe. Zudem werben die Anbieter mit einer angeblich größeren Sicherheit, weil bei einer Transaktion nicht mehr die Bankkarten- oder Kreditkartenummer, sondern eine virtuelle Kontonummer übertragen wird.

Die notwendige Technik gibt es schon ein Jahrzehnt

Übertragen werden die Daten zwischen Mobilgerät und Kasse über das schon seit fast zehn Jahren existierende NFC-System, das eine wenige Zentimeter weit reichende Funkübertragung nutzt. Die Abkürzung NFC steht für „near field communication“, also Nahbereichskommunikation. Auch die Tatsache, dass das Bezahlsignal nur über sehr kurze Distanzen übertragen wird, soll zur Sicherheit beitragen. Neuere Smartphones sind mit den nötigen NFC-Chips bereits ausgestattet. Technologisch ist das mobile Bezahlen mit dem Smartphone also nichts Neues.

In Deutschland wird die Technik beispielsweise seit längerem von der Deutschen Bahn zur Bezahlung von Fahrkarten im so genannten Touch&Travel System genutzt. Die Sparkassen bieten Bezahlungen über NFC an – allerdings nur für Kleinbeträge bis zu 20 Euro. Auch in der Stuttgarter Innenstadt kann man in einer ganzen Reihe von Geschäften bereits so bezahlen. Doch bisher gibt es in Deutschland immer noch viele Einzellösungen. Die Bezahlmethode setzt sich bei deutschen Verbrauchern im internationalen Vergleich auch deshalb nur langsam durch (siehe Infobox). Mit dem Auftreten der großen IT-Konzerne entsteht für die Banken ein Wettbewerb in neuen Dimensionen. Google und Samsung haben noch keine Pläne, mitgeteilt, wann sie nach Europa expandieren. Auch Apple, das in den USA im Oktober 2014 gestartet ist, beschränkt sich noch auf den Testmarkt in Großbritannien, wo es im Juli losging. Eine weitere Expansion könnte aber schnell erfolgen.

Schon im Frühjahr hatte Google mit großen US-Mobilfunkbetreibern die Vereinbarung geschlossen, dass das System auf den Vertrags-Smartphones bereits vorinstalliert ist. Diese Kooperation ist der Schlüssel zu einer raschen Marktdurchdringung. Gegen das seit 2011 angebotene, bisherige Bezahlsystem Google Wallet hatten sich die Telekommunikationsfirmen gewehrt, weil sie hier nicht partizipierten.

Google hat nun im Frühjahr einem Konsortium von Mobilfunkgesellschaften deren Bezahltechnologie abgekauft. Wallet-Nutzer können kostenlos auf Android Pay umsteigen. Das bisherige System soll es aber für Transaktionen von Nutzern untereinander weiter geben. Google will gegenüber Apple etwa mit Flexibilität punkten: So muss sich der Nutzer nicht per Fingerabdruck identifizieren, sondern kann sein Smartphone für den Bezahlvorgang auch per PIN oder mittels Passwort entsperren.

Deutsche zögern beim mobilen Bezahlen

Zurückhaltung
– Bisher ist Deutschland beim mobilen Bezahlen ein Entwicklungsland – und liegt beispielsweise weit hinter Ländern wie Kenia und Uganda zurück, in denen bereits jeder zweite Bezahlvorgang mit dem Handy stattfindet. Das liegt in den genannten Staaten natürlich daran, dass es dort bisher keine andere Infrastruktur für elektronische Bezahlvorgänge gab. Doch auch im europäischen Ausland wird schon heute wesentlich häufiger per Smartphone bezahlt als bei uns, etwa in Großbritannien, Schweden, der Schweiz oder auch in Rumänien und Portugal.

Probleme
– Das Zögern der Verbraucher in Deutschland liegt vor allem daran, dass die für den Bezahlvorgang notwendigen NFC-Terminals an den Kassen hier zu Lande seltener vorhanden sind als in anderen Ländern. Bisher werben Einzelhändler nicht intensiv für die Technologie, die in Deutschland auch unter einer generellen Skepsis beim Thema Datensicherheit leidet. Inwieweit der kurze Übertragungsweg zwischen Smartphones und Terminal Hackerangriffe ausschließt, ist umstritten. Kritisch ist auch die Frage, wie abgeschlossene Transaktionen im Zweifelsfall belegt werden.