Ein Berliner Gesetzentwurf könnte die seit 2016 praktizierte Belohnung von Mitarbeitern unmöglich machen. Gegen diese Pläne wehrt sich nun auch Esslingen.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - Ein kleiner Satz auf Seite 107 einer vom Bundesfinanzministerium geplanten Gesetzesänderung lässt in Esslingen – und nicht nur dort – die Alarmglocken schrillen. Denn Berlin schlägt vor, die Steuerfreiheit von Sachzuwendungen für Arbeitnehmer einzuschränken – mit dramatischen Folgen für viele in den vergangenen Jahren eingeführte Städtegutscheine und Citykarten.

 

Im Jahr 2012 noch hatte der Bundesfinanzhof entschieden, dass Unternehmen ihren Mitarbeitern zusätzlich zum Lohn eine steuerfreie Belohnung in Form von Gutscheinen zukommen lassen können – und zwar bis zu 44 Euro pro Mitarbeiter und Monat. Konkret bedeutet das, dass Firmen ihren Angestellten bis zu 528 Euro pro Jahr schenken können, ohne dass sie dafür Steuern oder Lohnnebenkosten zahlen müssen.

Gutscheine im Wert von 10, 20 oder 44 Euro

2016 hat die Stadt Esslingen – auf diesem Urteil fußend – erstmals die Esslinger Bonuscard präsentiert. Seither können Unternehmen bei der Esslinger Stadtmarketing und Tourismusgesellschaft (EST) Gutscheine im Wert von 10, 20 oder 44 Euro bestellen und Mitarbeitern so eine Freude bereiten. Diese wiederum können die Gutscheine in rund 200 teilnehmenden Geschäften, Tankstellen, Kinos, Restaurants oder Wellnesseinrichtungen einlösen. Dass es sich hierbei um eine Win-Win-Win-Situation – die Unternehmen sparen Steuern, die Mitarbeiter werden motiviert und das Geld bleibt in Esslingen – handelt, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Die Verkaufszahlen gehen steil nach oben: Hatten Unternehmen im ersten Jahr noch Bonuscards für 100 000 Euro bestellt, so waren es 2018 bereits 50 Prozent mehr – Tendenz weiter steigend.

Michael Metzler, Chef der EST, sagt: „Mittelfristig gehen wir davon aus, dass die Bonuscard sich besser verkauft als die 2011 eingeführte City Card, der von uns organisierte Geschenkgutschein für Privatpersonen.“

Für kleinere Unternehmen lohnt sich der Aufwand nicht

Allerdings könnte Berlin diese Hoffnungen nun zerstören: Denn bleibt es bei der vorgeschlagenen Gesetzesänderung, gelten Gutscheine nur noch dann als steuerfreier Sachbezug, wenn der Aussteller identisch ist mit dem Unternehmen, dessen Waren und Dienstleistungen die Mitarbeiter mit Hilfe des Gutscheins beziehen können. Ein Beispiel: wolle eine kleinere Bäckereikette ihre Mitarbeiter belohnen, müsste sie ein eigenes Bonus-System einführen. Für kleinere und mittlere Unternehmen würde sich der organisatorische Aufwand also nicht lohnen. Profitieren könnten davon hingegen große Konzerne mit zahlreichen Mitarbeitern und einem großen Angebot – etwa Amazon oder Zalando.

Tritt die Regelung in Kraft, bedeutet dies im Gegenzug das Aus für alle lokalen und regionalen Gutscheinsysteme, „in deren Entwicklung und Aufbau viele Städte, Kommunen und lokale Händler viel Hoffnung, Zeit und Mühe investiert haben“ – so steht es in einem offenen Brief, den der Esslinger Oberbürgermeister Jürgen Zieger jetzt an die beiden Esslinger Bundestagsabgeordneten Markus Grübel (CDU) und Nils Schmid (SPD) geschickt hat.

Verbundenheit mit dem Wirtschaftsstandort

Die aktuelle Situation, dass regionale Arbeitgeber in der Lage seien, steuerfreie Gutscheine an ihre Arbeitnehmer auszugeben, verdeutliche auch die Verbundenheit mit dem Wirtschaftsstandort. Zieger: „Ist das Einlösen dieser Gutscheine an regionale Angebote gekoppelt, werden auch regionale Wirtschaftskreisläufe in mehrfacher Hinsicht gestärkt.“ Und das Geld wandere nicht ins Internet zu meist internationalen Konzernen ab.