Kanzlerin Angela Merkel hat knapp drei Monate nach den fremdenfeindlichen Übergriffen von Chemnitz Verständnis für mangelndes Sicherheitsgefühl in der Stadt gezeigt.

Chemnitz - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat bei ihrem Besuch in Chemnitz Verständnis für Sorgen der Menschen nach der Gewalttat vom 26. August geäußert. Zugleich versicherte sie am Freitag in der westsächsischen Stadt, dass die staatlichen Behörden aus Versäumnissen versuchten die richtigen Schlüsse zu ziehen und daran arbeiteten, besser zu werden. Dass sich viele Chemnitzer nach der tödlichen Messerattacke auf einen 35-jährigen Deutsch-Kubaner am Rande des Stadtfestes subjektiv nicht mehr sicher fühlten, habe sie „bedrückt“. Ein solcher Befund müsse den Staat evident etwas angehen, sagte die Kanzlerin.

 

Merkel: Aufregung nach Vorfall in Chemnitz rechtfertigt keine Straftat

Merkel nahm auch Stellung zur Kritik von Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD), dass ihr Besuch in Chemnitz zu spät erfolge. Sie habe mit Ludwig „sehr schnell“ nach dem 26. August telefoniert und darüber nachgedacht, wann der beste Zeitpunkt für einen solchen Besuch sei. Dabei sei zu berücksichtigen, dass ihre Person einerseits polarisiere und sie auch „nicht in ganz aufgewühlter Stimmung“ die Stadt besuchen wollte. Mit ihrer Visite jetzt wolle sie auch einen Beitrag leisten, dass Chemnitz nicht dauerhaft in ein schlechtes Licht gerückt wird, versicherte die Kanzlerin. Dabei seien Probleme besser zu erfassen, „wenn man ein paar Stunden in der Stadt ist“.

Die Gewalttat vom 26. August verurteilte Merkel als „schrecklichen Mord“. Allerdings gebe es keine Rechtfertigungen dafür, wenn in der Folge auf Demonstrationen nationalsozialistische Symbole verwendet wurden. Klar sei aber, dass es Unzufriedenheit gebe, die auch mit Flüchtlingen und Integration zusammenhinge.

Vor dem Leserforum der Regionalzeitung „Freie Presse“ hatte die Kanzlerin den einheimischen Basketball-Zweitligisten Niners besucht und sich mit dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU), der Chemnitzer Oberbürgermeisterin und anderen Kommunalpolitikern unter Ausschluss der Öffentlichkeit getroffen. An dem Leserforum nahmen 120 Personen teil. 90 Leserinnen und Leser wurden von der Redaktion ausgelost und 30 direkt eingeladen.

Chemnitz in den Schlagzeilen

Chemnitz war nach der tödlichen Messerattacke wegen gewaltsamer Ausschreitungen in die Schlagzeilen geraten. Rechtsextremisten und Rechtspopulisten hatten den Vorfall für ihre Zwecke instrumentalisiert. Der Chemnitzer Daniel H. starb an den Folgen von Messerstichen, zu denen es nach einer verbalen Auseinandersetzung zwischen zwei Gruppen gekommen war. Die Staatsanwaltschaft Chemnitz geht von drei Tatverdächtigen aus, der Vorwurf lautet gemeinschaftlicher Totschlag und Körperverletzung. Ein Syrer sitzt deshalb in Untersuchungshaft, ein Iraker ist wieder auf freiem Fuß und ein weiterer tatverdächtiger Iraker ist den Angaben zufolge noch flüchtig. Die rechtsgerichtete Vereinigung „Pro Chemnitz“ hatte für Freitag erneut Proteste angekündigt.