Tennisprofi Angelique Kerber hat das schwierigste Jahr ihrer Karriere hinter sich. Und doch ist es nicht das erste Mal, dass die 32-Jährige nach Rückschlägen zurückkommen will. Das sind ihre Pläne für 2020.

Melbourne - Ausschlafen, entspannt frühstücken, trainieren und „abends was Leckeres essen“. Ihren 32. Geburtstag an diesem Samstag geht Tennisprofi Angelique Kerber ganz entspannt an. Ihre kürzlich erlittene Oberschenkelverletzung sei zwar noch nicht ausgeheilt, bis zu ihrem Erstrundenmatch bei den Australian Open (20. Januar bis 2. Februar/Eurosport) am Dienstag gibt sie sich aber „zuversichtlich, die Verletzung in den Griff zu bekommen“. Ihre Gegnerin, eine noch zu ermittelnde Qualifikantin, ist ebenso eine Unbekannte wie ihre aktuelle Form. Dabei sollte 2020 ein neuerliches Comeback-Jahr der einstigen Nummer eins der Welt werden.

 

Über 18 Monate sind seit ihrem letzten Turniersieg vergangen. Am 14. Juli 2018 feierte Kerber den bis dato größten Erfolg ihrer Karriere, als sie 22 Jahre nach Steffi Graf als erste deutsche Spielerin auf dem heiligen Rasen von Wimbledon triumphierte. Der Glanz des großes Sieges ist längst verblasst. Kerber, damals die Nummer zwei der Welt, ist seither auf der Suche nach Form, Selbstvertrauen und vor allem: Konstanz.

Nach dem Wimbledon-Sieg will nichts gelingen

Nur zwei Monate nach dem Wimbledon-Sieg feuert sie ihren damaligen Trainer Wim Fissette. Nachfolger wird Rainer Schüttler, doch unter dem heutigen Fed-Cup-Kapitän gewinnt Kerber kein einziges Turnier, rutscht in der Weltrangliste aus den Top-20 und beendet die Zusammenarbeit nach dem Zweitrunden-Aus in Wimbledon 2019.

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Es folgen fünf Erstrundenniederlagen bei den folgenden sieben Turnieren und die Erkenntnis, das Seuchenjahr 2019 bereits im September zu beenden. Heute sagt sie: „Es war wichtig, Abstand zu dem ganzen Jahr zu gewinnen. Auch Urlaub zu nehmen, um den Kopf frei zu bekommen.“ Sie reist mehrere Wochen nach Sri Lanka, schaltet ab und tankt ihre Akkus wieder auf. Körperlich und mental, wie die Linkshänderin betont.

Neues Trainerduo für 2020

Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland nimmt sie sich Ex-Profi Dieter Kindlmann als Coach, holt zudem den Fitness-Papst von Novak Djokovic ins Team, Marco Panichi. „Auf diesem Niveau sind es nur wenige Prozent, die man überhaupt verändern kann“, sagt Kerber. „Das Hauptthema für mich ist und bleibt die Fitness.“ Dank ihrer Ausdauerfähigkeiten gehörte sie über Jahre zur besten Konterspielerin auf der Tour. Der Versuch Schüttlers, die 31-Jährige vergangene Saison zu einer besseren Aufschlägerin zu machen, darf als gescheitert angesehen werden. Nun will Kerber wieder das machen, was sie einst so stark gemacht hat: das Konterspiel. Zurück kommen in jedem Ballwechsel, an jeder Krise ein Stück wachsen – das war schon immer die Stärke der Kielerin.

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Schließlich ist es nicht die erste Delle in ihrer Karriereleiter: Mit Anfang 20 dachte sie offen darüber nach, den Tennisschläger komplett an den Nagel zu hängen. Andrea Petkovic, Julia Görges, Sabine Lisicki – allesamt die gleiche Generation wie Kerber – waren da längst auf der Profi-Tour durchgestartet. Kerber aber kannte noch niemand. Ihrem Naturell entsprechend biss sie sich jedoch durch und spielte sich 2012 bis unter die Top-5 der Welt. Nicht ohne Grund attestiert Barbara Rittner, Frauentennis-Chefin beim Deutschen Tennis-Bund, der Norddeutsche „eine echte Kämpferin“ zu sein.

2016: das beste Jahr ihrer Karriere

2016 folgt der endgültige Durchbruch: Grand-Slam-Siege in Australien und den USA, die Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro, dazu der Sprung an die Spitze der Weltrangliste. „Die Tennisarbeiterin“ (die „Zeit“) steht ganz oben. Und dann? Kerber hält der aufgekommenen Erwartungshaltung nicht stand. Sie verkrampft, denkt zu viel nach, gewinnt 2017 kein Turnier und wagt Ende des Jahres mit dem Belgier Wim Fissette den Neuanfang, der im Wimbledonsieg 2018 seinen Höhepunkt findet.

Die Parallelen zur damaligen Krise sind heute unverkennbar. Druck will sich Kerber bei ihrem nächsten Neuanfang aber keinen auferlegen, auch wenn sie durch ihren Achtelfinal-Einzug bei den Australian Open 2019 einige Punkte in Down Under zu verteidigen hat . „Ich habe in der Vergangenheit bewiesen, dass ich nach schlechteren Jahren zurückkommen kann“, sagt sie fast trotzig. „Ich will mir Zeit geben, mein Spiel zu finden, Matches zu gewinnen und dadurch das Selbstbewusstsein wiederzubekommen.“

„Gold wäre ein Traum“

Zunächst gehe es für sie darum, ihren Rhythmus wiederzufinden. Rituale sind ihr wichtig, sie geben im schnelllebigen Tour-Alltag halt. Nur ein konkreteres Ziel lässt sie sich für 2020 entlocken: „Olympische Spiele sind immer ein Ziel, auf das man seinen Turnierplan ausrichtet.“ In Rio reichte es reichte es zu Silber – „Gold wäre natürlich ein Traum“, sagt Kerber über die Spiele in Tokio.

Sollte das im Einzel nicht klappen, wäre da noch die Option, mit Alexander Zverev im Mixed-Wettbewerb anzutreten. „Das Interesse ist da“, sagt Kerber. Dem Vernehmen nach ist das bei Zverev nicht anders. Das aber ist Zukunftsmusik. Die Comeback-Tour der Kielerin, sie soll nach einem Stotterstar in das neue Jahr in Melbourne Fahrt aufnehmen.

In unserer Bildergalerie finden Sie die Karriere-Höhepunkte von Angelique Kerber.