Es fehlt an günstigen Wohnungen. Über den Befund herrscht Einigkeit. Bei der Suche nach Lösungen gehen die Ansichten allerdings auseinander.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart -

 

In Frankfurt am Main will eine Initiative jetzt Nägel mit Köpfen machen: Seit Ende August sammelt die Gruppierung „Eine Stadt für alle“ Unterschriften, um ein Bürgerbegehren auf den Weg zu bringen, das die stadteigene Wohnungsbaugesellschaft – einst als Aktienbaugesellschaft für kleine Wohnungen gegründet – dazu verpflichten soll, nur noch sozial geförderte Wohnungen zu bauen.

Die Initiative ist zuversichtlich, die notwendigen 20 000 Unterschriften zusammenzubekommen. Die Rathausmehrheit sieht den sogenannten Mietentscheid kritisch.

Im Video: Wohnungsnot in Stuttgart – Ursachen und Lösungen: Das sollten Sie wissen.

Die Politik tut sich schwer mit Lösungen

Auf Bundesebene haben sich unterdessen zwei Bundesministerien in den vergangenen Tagen einen Schlagabtausch zu der Frage geliefert, wie günstiger Wohnraum geschaffen und der Mietanstieg gedämpft werden kann. Nachdem sich der Wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums von Peter Altmaier (CDU) in einem Gutachten unter anderem dafür ausgesprochen hatte, den sozialen Wohnungsbau zurückzufahren, konterte Altmeiers Kabinettskollegin, Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD), umgehend. „Es ist unverantwortlich, wenn Wissenschaftler jetzt gegen den sozialen Wohnungsbau argumentieren und das den Markt regeln lassen wollen“, sagte sie der „Rheinischen Post“. Das Scharmützel zeigt, wie schwer sich die Politik bei der Wohnungssuche tut.Nicht erst die Initiative aus der hessischen Metropole, die der Politik auf die Sprünge helfen möchte, macht deutlich, wie sehr die Menschen die Frage umtreibt, wie sie ihre Wohnungen bezahlen sollen – oder wie sie erst einmal eine bezahlbare Wohnung finden. Sozialwohnungen gelten dabei als aussterbende Art. Gab es davon zur Jahrtausendwende noch gut 2,5 Millionen in Deutschland, hat sich deren Zahl bis 2016 mehr als halbiert. Bis zum Jahr 2020 sollen es gerade noch 1,06 Millionen sein, so die Prognose der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe. Der Stuttgarter Immobilienmarkt macht da keine Ausnahme. Das Statistische Amt der Landeshauptstadt verzeichnet bei den geförderten Wohnungen einen Rückgang von 23 221 Einheiten im Jahr 1992 auf nur mehr 16 811 im Jahr 2017. Der Anteil der geförderten Wohnungen am Gesamtwohnungsmarkt in Stuttgart sank in diesem Zeitraum von 8,5 auf 5,4 Prozent.

Stuttgart versucht es mit Quoten beim Neubau

Seit 2011 versucht die Landeshauptstadt gegenzusteuern. Seit damals gilt das sogenannte Stuttgarter Innenentwicklungsmodell (SIM). Dabei müssen 20 Prozent der neu entstehenden Geschossfläche für geförderte Wohnungen reserviert werden. SIM sei wichtig, „um mehr Wohnraum, insbesondere Sozialwohnungen und geförderten Wohnraum, zu schaffen“, heißt es auf der Webseite der Stadt. Auf Anfrage unserer Zeitung legt das Rathaus eine Zwischenbilanz vor. Demnach wurden bislang bei 53 Bauvorhaben die Regeln des SIM angewendet. 15 davon seien bereits abgeschlossen, 38 noch in der Durchführung, sagt der Rathaussprecher Martin Thronberens unter Verweis auf Daten aus dem Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung: „Die 53 Verfahren umfassen den Bau von insgesamt 5505 Wohneinheiten, davon 2223 gefördert, davon wiederum 709 als Sozialmietwohnungen, 253 als Mietwohnungen für mittlere Einkommensbezieher und 167 im preiswerten Wohneigentum für junge Familien.“ Die verbleibenden 1094 geförderten Wohneinheiten müssten im Rahmen der laufenden Verfahren noch den jeweiligen Programmen zugeordnet werden.

Stuttgarts OB Fritz Kuhn (Grüne) scheint mit diesen Zahlen nicht zufrieden zu sein. Im Interview mit unserer Zeitung hat er vor Kurzem angekündigt, künftig statt 20 Prozent 30 Prozent für den geförderten Wohnungsbau reservieren zu wollen. Die Idee ist nicht ganz neu. Die SPD im Stuttgarter Rathaus hat sie in der Vergangenheit mehrfach geäußert, ohne allerdings damit Gehör gefunden zu haben.

Wohnungsverband mahnt mehr Bauflächen an

Quoten wie die in Stuttgart können aus Sicht von Sigrid Feßler zum Erfolg führen. Die Juristin ist Direktorin des Verbands baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen (vbw). In ihm sind gut 300 Unternehmen zusammengeschlossen, zwei Drittel davon sind Wohnungsgenossenschaften, der Rest sind ganz überwiegend Wohnbauunternehmen, die von Kommunen oder Landkreisen getragen werden. Feßler gibt zu bedenken, dass noch höhere Vorgaben, wie etwa in Freiburg, wo die Quote bei 50 Prozent liege, kontraproduktiv wirken könnten. Für die Verbandsdirektorin ist aber beim Blick auf die eigenen Zahlen klar, dass im geförderten Mietwohnungsbau Nachholbedarf besteht. Von den gut 450 000 Einheiten, die die Mitgliedsunternehmen halten, seien nur noch gut 56 000 in der Mietbindung. Als Schritt in die richtige Richtung wertet Feßler die geänderten Rahmenbedingungen im Förderprogramm Wohnraum des Landes: „Dass es nun auch möglich ist, Miet- und Belegungsrechte im Bestand zu erwerben, ist ein wichtiges Element.“ Maßgeblich bleibe aber der Neubau. „In vielen Kommunen fehlt es aber schlicht am Bauland. Mit der Innenentwicklung allein werden wir nicht zurande kommen.“ Sie fordert zudem, dass die Kommunen Baugrund nicht allein nach dem Höchstpreisprinzip vergeben dürften. Auch müssten Kommunen die Verfahren vereinfachen und straffen. Gleiches gelte für die Anträge auf Aufnahme in Förderprogramme. Doch selbst wenn all das umgesetzt werde, sei mit einer raschen Entspannung am Markt nicht zu rechnen, so Feßler: „Bauen ist eine langfristige Angelegenheit.“