Ein 29-Jähriger muss für viereinhalb Jahre in Haft, weil er seinen Mitbewohner in Fellbach fast umgebracht hätte. Das Urteil lautet jedoch nicht mehr auf versuchten Totschlag.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Versuchten Totschlag hatte die Staatsanwaltschaft einem 29-Jährigen vorgeworfen – doch das Urteil lautete nun auf gefährliche Körperverletzung. Das Gericht war der Ansicht, dass der nun Verurteilte vom Versuch, einen gleichaltrigen Mitbewohner zu töten, zurückgetreten ist, und verurteilte ihn zu viereinhalb Jahren Gefängnis – ohne Bewährung.

 

Am Abend des 11. Dezember war es in der Küche der Wohngemeinschaft in Fellbach zwischen den beiden Männern zu einem Streit gekommen. Es ging um Geld – um nicht bezahlte Nebenkosten und eine angeblich fällige Provision für die Vermittlung des Zimmers. Bald flogen die Fäuste. Doch dabei blieb es nicht: Vor Gericht hatte der 29-Jährige ausgesagt, dass sein Gegner ihn zuerst mit einem Messer angegriffen habe. Tatsächlich hatte er bei seiner Festnahme eine Schnittwunde am Finger, woher diese stammte, blieb jedoch unklar. An einem Cuttermesser, das das Opfer bei sich trug, war kein Blut zu finden, auch eine andere mögliche Tatwaffe fand die Polizei nicht.

Das Opfer will dem Täter verzeihen

Als erwiesen sah das Gericht aber an, dass der 29-Jährige seinem Mitbewohner mit einem Küchenmesser mit 18-Zentimeter-Klinge zuerst von hinten in den Nackenbereich gestochen hatte, und dann, als das Opfer sich umdrehte, in Arm und Brust und den Bauch. Das Opfer schleppte sich lebensgefährlich verletzt nach draußen, wo der Mann auf dem Gehweg zusammenbrach. Auf dem Notruf eines Passanten waren die Schmerzensschreie des Mannes zu hören. Dennoch signalisierte der Mann vor Gericht, dass er dem Angreifer verzeihen wollte – an der Anklage und davon, dass die Staatsanwaltschaft von versuchtem Mord ausging, änderte dies freilich wenig.

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Eine Notoperation rettete dem Mann das Leben. Der nun Verurteilte hatte damals seinen Chef angerufen und von einem „Streit“ berichtet, „es kann sein, dass der andere nicht mehr lebt“, hatte er damals gesagt. Als der Vorgesetzte den Fall der Polizei meldete und schließlich erfuhr, dass das Opfer am Leben war, überredete er den Täter, sich der Polizei beim Schwimmbad F3 zu stellen.

Die Behauptung des Angeklagten, er habe seinem Gegenüber nur „Angst machen wollen“ und dann versehentlich zugestochen, glaubte das Gericht nicht. Auch sein Alkoholpegel, der zur Tatzeit knapp anderthalb Promille betragen haben müsste, änderte nichts an seiner Schuldfähigkeit. Der Verteidiger des 29-Jährigen plädierte auf gefährliche Körperverletzung und forderte eine Bewährungsstrafe für den bislang unbescholtenen Mann. Die Staatsanwältin betrachtete den Fall nach wie vor als versuchten Totschlag und forderte fast sieben Jahre Haft. Das Urteil des Landgerichts Stuttgart lag schließlich mit den vier Jahren und sechs Monaten wegen gefährlicher Körperverletzung dazwischen.

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