Wer fit bleiben will, muss andere ärgern. Ex-Daimler-Chef Edzard Reuter, der dazu im Luxuswohnturm Cloud No 7 rät, ist ein Vorbild dafür. Ärger gibt es bei der Südwestbank wegen der neuen Besitzer. Unser Kolumnist berichtet von zwei Banken-Events.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Richtig knallen wird’s, wenn das Land nicht endlich aufwacht. Edzard Reuter, der solche Sätze sagt, hört nicht auf, unbequem zu sein, nur weil er kürzlich neunzig geworden ist. Zur sozialen Verantwortung der Eliten ruft er im neuen Luxuswohnturm im Europaviertel auf.

 

Kaum hat der einstige Daimler-Chef (von 1987 bis 1995) beim Gespräch mit Radiolegende Stefan Siller (68) der Kanzlerin „Wurschdelei“ vorgeworfen, wo doch klare Kante gefordert sei, steigert sich seine Empörung noch weiter. Am „Rande des Explodierens“ sei er beim Schuhkauf gewesen, berichtet der ehemals mächtigste Mann der deutschen Wirtschaft am Fuß der Cloud No 7. Im neuen Hotel Jaz in the City, wenige Schritte vom Einkaufszentrum Milaneo entfernt, schildert der hocheloquente Mann auf Einladung der Quirin-Privatbank sein jüngstes Shopping-Erlebnis.

Die Wolke sieben ist noch immer leer

Als er sich vor wenigen Tagen für ein Paar Sneakers entschieden habe, sei er vom Verkäufer gefragt worden: „Wollen Sie die Schuhe kaufen?“ Reuter erwiderte leicht gereizt: „Aber natürlich, was denn sonst?“

Eingekauft, weiß er nun, wird im Einzelhandel immer seltener. Viele würden nur zum Probieren kommen und die Ware dann im Netz bestellen. Ein endloses Hin-und- her-Gefahre zwecks Liefern und Umtauschen sei die Folge, schimpft der Mann, der sich selbst als „uralt“ bezeichnet. „Digitalisierte Gehirne“ seien eine Gefahr.

Bei Südwestbank werden Filialen geschlossen

Neben dem neuen Hotel ist die Wolke sieben noch immer leer. Im Hochhaus zieht kaum Leben ein. Richtig rund läuft es im Jaz in the City auch noch nicht. Michael Raith, Niederlassungsleiter der als „rebellisch“ gerühmten Quirin-Bank, die keine Provisionen annimmt und unabhängig gegen Honorar berät, will im Boden versinken. Im Saal hat er das Büfett eröffnet, das draußen bereitstehe. Als die Gäste die Türen öffnen, sind die Tische leer. Die Hotelgastronomie hat den vereinbarten Zeitpunkt verpasst.

Beim Warten aufs Essen sind die Sorgen bei der Südwestbank eines der Gesprächsthemen. Es hat sich rasch herumgesprochen, was für ein Wind dort nun weht. „Es tut mir für Wolfgang Kuhn leid, dass die neuen Besitzer der Südwestbank so hart durchgreifen“, sagt Raith. Der 62-jährige Kuhn leitet seit 2006 die beständig mit dem Umsatz wachsende Regionalbank. Sein Engagement für Kultur und Sport, heißt es, soll vor dem Ende stehen, weil die neuen Eigentümer aus Österreich von der Bawag Group, hinter denen ein als skrupellos geltender US-Investor steckt, eine noch höhere Rendite wollten. Erst kürzlich hätte die Belegschaft von den Plänen erfahren. Filialen der Südwestbank sollen geschlossen, viele Mitarbeiter mit einer Abfindung verabschiedet werden. Was man sich in Bankerkreisen erzählt, hört sich abenteuerlich an.

Mensch ärgere dich nicht – ärger andere!

Umso fröhlicher hat die Künstlerin Holde Klis ihre Ausstellung „Farbenfrohe Lustobjekte – oder was?“ in der Zentrale der Südwestbank eröffnet. Ihre Bilder wecken Lebensfreude. „Sie spiegeln eine positive Sicht auf die Welt wider“, sagt Vorstandssprecher Kuhn bei der rappelvollen Vernissage vor Theaterintendant Sebastian Weingarten, Festwirt Michael Wilhelmer, Designerin Lissi Fritzenschaft und vielen anderen.

Wolfgang Kuhn, ein Kumpel von EU-Kommissar Günther Oettinger, lobt einen Sozi, was nicht oft vorkomme. Finanzminister Olaf Scholz habe, anders als sein CDU-Vorgänger Wolfgang Schäuble, keinen „Anti-Banken-Chip“ im Kopf. Dieses Lob mag SPD-Mitglied Reuter nicht teilen. Für Vorschusslorbeeren sei es zu früh, meint er. Der Finanzminister müsse erst liefern. Bestimmt wird ihn der 90-Jährige noch gehörig ärgern. Denn das hält ihn fit und munter. Sein Lebensmotto könnte lauten: Mensch ärgere dich nicht – ärger andere!