Der Porsche-Chef soll beim Versuch der VW-Übernahme Anleger geschädigt haben. Die Verteidiger des Managers heben hervor, dass die Staatsanwaltschaft Stuttgart im Laufe der Ermittlungen etliche Vorwürfe fallen lassen musste.

Stuttgart - Am 20. August 2009 startete die große Razzia. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft durchsuchte gemeinsam mit zwei Dutzend Beamten Porsche-Büros in Zuffenhausen und Privatwohnungen. Anlass war eine Anzeige der Finanzaufsicht Bafin, die Anfang August in Stuttgart eingegangen war. Gut drei Jahre nach dem Beginn der Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft nun Anklage gegen den früheren Porsche-Chef Wendelin Wiedeking erhoben. Zugleich wurde der ehemalige Finanzvorstand Holger Härter zum zweiten Mal angeklagt, gegen den bereits ein Verfahren wegen des Verdachts auf Kreditbetrug vor dem Stuttgarter Landgericht läuft. Wiedeking und Härter ließen die Vorwürfe über ihre Anwälte entschieden zurückweisen.

 

Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Ex-Vorständen nunmehr vor, dass Porsche beim Versuch der Eroberung des Autoriesen VW falsche Angaben gemacht und damit Anleger getäuscht und geschädigt habe. Im Juristendeutsch heißt dies informationsgestützte Marktmanipulation. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft hatten die beiden Ex-Manager spätestens im Februar 2008 geplant, die Porsche-Beteiligung an VW spätestens im ersten Quartal 2009 auf 75 Prozent zu erhöhen, um einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vorzubereiten. Die Staatsanwaltschaft wollte sich nicht dazu äußern, worauf diese Einschätzung fußt.

Beim Beginn der Ermittlungen berichtete jedoch eine Sprecherin der Finanzaufsichtsbehörde Bafin von neuen Informationen, die zu der Anzeige bei der Stuttgarter Staatsanwaltschaft geführt hätten. Danach hätten Porsche-Vertreter und Anwälte des Unternehmens bei einem Treffen am 25. Februar 2008 mit einem hohen Beamten der niedersächsischen Staatskanzlei in Berlin von der Absicht berichtet, die Beteiligung an VW auf 75 Prozent aufzustocken und einen Beherrschungsvertrag abzuschließen. Der niedersächsische Beamte hatte jedoch dieser Darstellung widersprochen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hat Porsche trotz der festen Absicht zur Eroberung von VW zwischen dem 10. März und dem 2. Oktober 2008 in mindestens fünf öffentlichen Erklärungen dementiert, dass eine solche Aufstockung der Beteiligung geplant sei. Zugleich hätten Wiedeking und Härter jedoch damit begonnen, Kaufoptionen auf VW-Aktien zu erwerben und damit die Eroberung von VW konkret vorzubereiten.

Die öffentlichen Dementis haben nach Darstellung der Staatsanwaltschaft den Kurs der VW-Aktie gedrückt. Weil Porsche damals die Eroberungspläne kaschierte, hätten Anleger Stammaktien verkauft oder sogenannte Leerverkäufe auf VW-Aktien getätigt, bei denen auf sinkende Kurse spekuliert wird. Hätten sie jedoch gewusst, dass hinter den Kulissen bereits die Aufstockung der Beteiligung vorbereitet wurde, hätten sie ihre Papiere nach diesem Verständnis behalten oder wegen den absehbaren Zukäufen von Porsche auf steigende Kurse spekuliert. Die Verteidiger von Wiedeking und Härter nehmen „mit Verwunderung“ zur Kenntnis, dass die Staatsanwaltschaft sich mit der Anklage ausgerechnet auf die Seite von Leerverkäufern schlagen wolle, „die hochspekulative und irrationale Wetten gegen den Kurs der VW-Aktie eingegangen sind“.

Tatsächlich gab es damals in erheblichem Umfang Spekulationsgeschäfte. Als Porsche am 26. Oktober 2008 überraschend bekanntgab, dass sich das Unternehmen über Optionsgeschäfte bereits fast 74 Prozent der VW-Stammaktien gesichert habe, explodierte der Kurs auf über 1000 Euro, weil Leerverkäufer ohne Rücksicht auf die Kosten Aktien kaufen mussten, um ihre Verpflichtungen zu erfüllen.

Die Verteidiger heben zugleich hervor, dass die Staatsanwaltschaft im Laufe der Ermittlungen etliche Vorwürfe fallen lassen musste. „Das mit großem Aufwand geführte Verfahren ist massiv zusammengeschmolzen“, resümieren die Anwälte. So wurde anfangs auch geprüft, ob die Ex-Manager wegen Untreue angeklagt werden könnten. Es ging darum, ob die Optionsgeschäfte zu riskant für Porsche waren. Bereits vor zwei Jahren wurde zudem der Vorwurf kassiert, wonach Porsche im Zusammenspiel mit einer Frankfurter Bank den VW-Kurs rechtswidrig manipuliert haben könnte.

Auch bei der jetzt vorgelegten Anklage seien von 14 im Ermittlungsverfahren untersuchten Fällen nur fünf übrig geblieben. Auch diese seien jedoch „in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht unbegründet, so die Verteidiger.

Im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft behaupten die Anwälte, dass sich die öffentlichen Erklärungen nicht auf den Börsenkurs ausgewirkt hätten. Dies hätten auch ausführliche Gutachten ergeben, die von der Staatsanwaltschaft selbst in Auftrag gegeben worden seien. Wenn sich eine öffentliche Erklärung nicht auf den Kurs auswirke, so die Verteidiger, komme auch keine Strafbarkeit in Betracht.