Das Korruptionsverfahren gegen Israels Premier Netanjahu wäre ein Schritt in die richtige Richtung, kommentiert Anja Reich. Allzu selbstherrlich hat sich der mächtige Regierungschef gebärdet.

Tel Aviv - Lange hat Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit gezögert, bevor er sich entschloss, Benjamin Netanjahu wegen des Verdachts auf Korruption, Untreue und Betrug anzuklagen. Mandelblits Unentschlossenheit ließ liberale Israelis an ihrem Rechtsstaat zweifeln.

 

Aber dann, am Donnerstagabend, war es so weit: Mandelblit gab bekannt, Anklage gegen den Premierminister erheben zu wollen. Es ist eine Absichtserklärung, keine Anklage. Trotzdem ist die Nachricht eine Sensation. Denn bis zur Wahl einer neuen Regierung sind es nur noch sechs Wochen. Der Wahlkampf ist in vollem Gange. Und fast noch mehr als die Vorwürfe selbst könnten Netanjahu die Reaktionen darauf schaden, vor allem seine eigene. Er spricht von einer „Hexenjagd“, von einer „politischen Hinrichtung“ und beschuldigt Mandelblit, sich dem Druck aus dem linken Lager gebeugt zu haben. Eine Reaktion, die nicht überrascht, die aber umso mehr zeigt, dass der Mann, der seit zehn Jahren sein Land regiert und gerade mit einer rassistischen Partei koaliert hat, sich für unfehlbar hält und jegliches Unrechtsbewusstsein verloren. Die Zeit von „King Bibi“, wie ihn seine Landsleute nennen, scheint vorbei zu sein. In den Umfragen liegt jetzt sein Kontrahent Benny Gantz vorn. Die Entscheidung des Staatsanwaltes kommt genau zur richtigen Zeit.